Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bayern
Icon Pfeil nach unten

Zwei Tote bei Ansbach: Zwei Tote bei Amoklauf: Tatverdächtiger verhielt sich psychisch auffällig

Zwei Tote bei Ansbach

Zwei Tote bei Amoklauf: Tatverdächtiger verhielt sich psychisch auffällig

    • |
    Nach 30 Kilometern Fahrt wurde der Tatverdächtige an einer Tankstelle von der Polizei festgenommen.
    Nach 30 Kilometern Fahrt wurde der Tatverdächtige an einer Tankstelle von der Polizei festgenommen. Foto: Wagner

    Schock in Mittelfranken: Innerhalb von zwei Stunden hat ein Amokläufer zwei Menschen erschossen – eine 82 Jahre alte Frau und einen 72-jährigen Mann. Auf seiner 30 Kilometer weiten Flucht soll er auch auf einen Landwirt geschossen und einen Autofahrer bedroht haben, bevor ihn das Personal einer Tankstelle in Bad Windsheim überwältigte. Noch ist wenig bekannt über den 47-jährigen Bernd G., dem die Ermittler zweifachen Mord und Mordversuch vorwerfen.

    Polizeibeamte am Tatort in Tiefenthal-Leutershausen bei Ansbach.
    Polizeibeamte am Tatort in Tiefenthal-Leutershausen bei Ansbach. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Mutigen Mechanikern sei die rasche Festnahme des Mannes zu verdanken, sagte Mittelfrankens Polizeivizepräsident Roman Fertinger. Der Amokschütze habe das Tankstellenpersonal mit einer Waffe bedroht. Als er diese kurz auf dem Tresen ablegte, nutzte eine Mitarbeiterin die Chance und nahm die Waffe an sich. Daraufhin hätten die Mechaniker den Mann überwältigt.

    Amoklauf Mittelfranken: Es waren wohl Zufallsopfer

    Amokläufe - oft sind es Taten wie im Rausch

    Das Wort «Amok» kommt aus der malaiischen Sprache und bedeutet Wut.

    Laut Statistik sind die meisten Amokläufer männlich.

    Nach Erkenntnissen von Polizeipsychologen lebten sie vor der Tat oft eher unauffällig, zeigten ihre Gefühle kaum und neigten zu Selbstüberschätzung.

    Neben psychisch schon länger kranken Tätern gibt es auch Amokläufer, die aus banalen Gründen plötzlich «ausrasten».

    Angst, Demütigung, Eifersucht oder Scham haben sich oft lange aufgestaut, bevor es im Amoklauf zur Katastrophe kommt.

    Viele Amokläufer töten sich am Ende selbst, weshalb solche Anschläge mitunter auch als «erweiterter Selbstmord» angesehen werden.

    Als Tatort wird häufig eine Örtlichkeit gewählt, die der Täter mit der Verletzung seiner Psyche in Verbindung bringt. Beispiele sind Amokläufe in Gerichts- oder Schulgebäuden.

    Am Morgen soll Bernd G. in Tiefenthal, einem Ortsteil der Kleinstadt Leutershausen bei Ansbach, aus seinem Auto heraus die 82 Jahre alte Bäuerin erschossen haben – auf dem Gehweg vor ihrem Haus. Kurz darauf tötete er laut Polizei einen 72-jährigen Fahrradfahrer vor dem wenige Kilometer entfernten Schloss Rammersdorf – auch dort starb das Opfer noch am Tatort. Auf einen Landwirt soll der Mann ebenfalls geschossen haben; einen Autofahrer habe er bedroht.

    Danach flüchtete der Ansbacher mit einem silbernen Cabrio, das auf seinen Vater zugelassen ist. Die Polizei startete eine Großfahndung und warnte die Bevölkerung per Radiodurchsage vor dem Bewaffneten, der „rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch“ mache. Kurz vor Mittag erfolgte dann die Festnahme in Bad Windsheim. Nach ersten Erkenntnissen gibt es keine Beziehung zwischen dem Täter und seinen Opfern. „Es ist daher von einem Amoklauf auszugehen“, sagte Bayerns Innenminister Herrmann.

    Die Polizei konnte den mutmaßlichen Täter kurz nach den tödlichen Schüssen  festnehmen.
    Die Polizei konnte den mutmaßlichen Täter kurz nach den tödlichen Schüssen festnehmen. Foto: Daniel Karmann, dpa

    Der mutmaßliche Täter sei nach seiner Festnahme psychisch auffällig gewesen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof. Im Polizeiauto habe er „wirre Äußerungen“ ohne erkennbaren Zusammenhang von sich gegeben. Daher habe man einen psychiatrischen Gutachter hinzugezogen. Dieser soll nun klären, ob Bernd G. in Untersuchungshaft kommt oder in die Psychiatrie. Bisher sei der Beschuldigte kriminalpolizeilich nicht aufgefallen. Der Sportschütze habe legal einen Revolver und eine Pistole besessen, für die er eine sogenannte Waffenbesitzkarte gehabt habe. Diese berechtige zur Nutzung der Waffe im Sportheim, verbiete aber das ständige Bei-sich-Tragen. Eine der Waffen wurde im Auto des Amokläufers gefunden.

    Amokläufe in Deutschland

    Saarbrücken: 25. Mai 1871. Als Erstes der sogenannten School Shootings gilt der Fall des Julius Becker. Er schoss auf zwei Mitschüler am Gymnasium in Saarbrücken. Zwei Wochen vor der Tat hatte er die Waffe gekauft. Nach der ersten Stunde schoss er ohne Vorwarnung dreimal auf den Kopf eines Mitschülers, traf außerdem einen zweiten Klassenkameraden.

    Haiger bei Dillenburg: 1924. Fritz Angerstein tötete zunächst seine Familie und Angestellte seines Hauses, verstümmelte sich im Anschluss selbst und brannte danach seine Villa nieder. Angerstein gab gegenüber der Polizei an, dass er in seiner Villa überfallen worden sei. Das stellte sich als gelogen heraus. Angerstein wurde zum Tode verurteilt und am Morgen des 17. Novembers 1925 hingerichtet.

    Amtsgericht Euskirchen: 9. März 1994. Der 39-jährige Erwin Mikolajczyk schoss in einem Gerichtssaal des Amtsgerichts Euskirchen um sich. Er reagierte damit darauf, dass sein Einspruch gegen eine Geldstrafe wegen Körperverletzung in Höhe von 7200 DM vom Gericht abgewiesen wurde. Anschließend zündete er eine Bombe. Sieben Menschen starben, acht weitere wurden teilweise schwer verletzt.

    Eching/Freising: 19. Februar 2002. Adam Labus kleidete sich in militärischer Tarnkleidung und fuhr mit dem Taxi zu der Dekorationsfirma, die ihm kurz vorher gekündigt hatte. Dort tötete er den 38-jährigen Betriebsleiter und einen 40-jährigen Vorarbeiter. Danach fuhr er mit demselben Taxi in seine Wirtschaftsschule in Freising. Er tötete den Schulleiter und verletzte einen Religionslehrer schwer. Schließlich tötete er sich selbst.

    Erfurt: 26. April 2002. Robert Steinhäuser erschoss am Vormittag des 26. April 2002 am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt elf Lehrer, eine Referendarin, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten. Anschließend tötete er sich selbst. Er war zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt.

    Emdstetten: 20. November 2006: Bastian B. verletzte in seiner ehemaligen Schule drei Jugendliche durch Schüsse. Der Hausmeister wird durch einen Bauchschuss schwer verletzt. Eine ihm folgende schwangere Lehrerin wurde von einem Rauchkörper getroffen und erlitt Gesichtsverletzungen. Der Täter verletzte drei weitere Schüler und zündete Nebelkerzen, die den Einsatz der Polizei erheblich erschwerten. Der Täter tötete sich schließlich durch einen Schuss in den Mund selbst.

    Winnenden: 11. März 2009. Am Vormittag des 11. März 2009 tötete Tim Kretschmer 15 Menschen - und anschließend sich selbst. Er wütete in seiner Realschule und in ihrer Umgebung in Winnenden, außerdem in Wendlingen am Neckar. Der 17-jährige Tim Kretschmer konnte erst nach mehrstündiger Flucht von der Polizei gestellt werden. Elf weitere Menschen wurden teils schwer verletzt.

    Ansbach: 17. Septembers 2009. Schüler Georg R. wütete mit einem Beil, zwei Messern und drei Molotowcocktails am Gymnasium Carolinum in Ansbach. Er schleuderte einen Brandsatz in zwei Klassenzimmer. Als die Schüler flohen, schlug der Täter mit dem Beil wahllos auf sie ein. Zwei Schülerinnen wurden schwer, sieben Schüler sowie eine Lehrerin leicht verletzt.

    Lörrach: September 2010. In der südbadischen Stadt Lörrach erschoss eine Anwältin und Sportschützin ihren von ihr getrennt lebenden Mann in ihrer Wohnung, erstickte den gemeinsamen Sohn und legte anschließend Feuer. Danach lief sie in ein gegenüberliegendes Krankenhaus und erschoss einen Pfleger. Die Polizei tötet schließlich die 41-Jährige.

    Heidelberg: August 2013. Drei Tote und fünf Verletzte forderte ein Streit bei einer Eigentümerversammlung in Dossenheim nahe Heidelberg. Nach einer Auseinandersetzung über die Nebenkostenabrechnung wurde der Mann des Raumes verwiesen. Er kam mit einer Pistole zurück und lief Amok. Der Sportschütze tötete dabei zwei Männer und verletzte fünf Menschen schwer. Dann erschoss er sich selbst.

    Düsseldorf: Februar 2014. Ein bewaffneter Mann lief im Raum Düsseldorf in zwei Anwaltskanzleien Amok. Er tötete drei Menschen und legte in beiden Kanzleien Feuer. Die Ermittler sind sich sicher, dass der 48-jährige Familienvater sich an seiner Ex-Chefin sowie an den Kanzleien in Düsseldorf und Erkrath rächen wollte. Der Amokläufer wurde schließlich am 23. September 2014 zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Ansbach: 10. Juli 2014: Ein Autofahrer erschoss bei seinem Amoklauf zwei Menschen, eine alte Frau und einen Radfahrer. Aus einem Auto heraus bedrohte der Schütze weitere Menschen und flüchtete. Die Polizei warnte vor dem Bewaffneten, es folgte eine Verfolgungsjagd. Kurz darauf Aufatmen: Der Mann wurde an einer Tankstelle gefasst. Außerdem sollen ein Landwirt und ein weiterer Autofahrer beschossen oder zumindest bedroht worden sein.

    München: 22. Juli 2016: Ein 18-jähriger Deutsch-Iraner schießt am Münchner Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) um sich. Er tötet neun Menschen, 27 weitere werden verletzt. Danach tötet sich der Schütze selbst. 2300 Sicherheitskräfte waren in München im Einsatz. (Stand 23.7.2016, 14.50 Uhr)

    „Diese Tat wirft uns komplett aus der Bahn“, sagte der Bürgermeister von Leutershausen, Siegfried Heß. In einem Ort mit 5500 Einwohnern, „in dem wir immer beschaulich gelebt haben, kannte man solche Situationen nur aus dem Fernsehen oder aus Amerika“. (mit dpa)

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden