Kein Zweifel: Die Erkrankungsserie im Raum Ulm in den vergangenen Tagen zählt zu den großen Ausbrüchen der Legionärskrankheit oder Legionellose - nicht nur deutschlandweit, sondern auch weltweit gesehen. Die Häufung sei sehr beunruhigend, erklärt Professor Werner Ehret, Leiter des Instituts für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie und Umwelthygiene am Augsburger Klinikum.
Jährlich werden dem Robert-Koch-Institut in Berlin etwa 500 Fälle gemeldet, 64 waren es bis gestern im Raum Ulm. Und auch die Sterblichkeit sei vergleichsweise hoch. Bislang wurden, wie berichtet, fünf Todesfälle verzeichnet.
Beunruhigend auch, dass die Quelle der Infektionen bislang nicht identifiziert worden sei. Was freilich auch nicht einfach ist: "Das ist echte Detektivarbeit", so Ehret, der einst über die Legionellose habilitierte. Immerhin: Als Erreger wurde jetzt "Legionella pneumophila" vom Serotyp 1 ermittelt. Das wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz in Ulm mitgeteilt. Das ist jener Subtyp, der nach Angaben des Robert-Koch-Instituts in Berlin für Erkrankungen beim Menschen die größte Bedeutung hat.
Dass eine kontaminierte Dampfwolke der Auslöser der Erkrankungsserie gewesen sein könnte, wie in den vergangenen Tagen in Ulm spekuliert wurde, hält auch Ehret für wahrscheinlich. Erregerhaltige Aerosole (feinste Wassertröpfchen) aus Kühlsystemen von Klimaanlagen nämlich seien häufig die Ursache einer Legionellose-Epidemie, also einer zeitlichen und örtlichen Häufung der Krankheit.
Dass diese Aerosole vom Wind kilometerweit getragen werden könnten, sei bekannt. Gehen die Erkrankungsfälle wieder zurück, könne entweder die schuldige Klimaanlage zwischenzeitlich saniert worden sein - oder der Wind habe schlicht gedreht und treibe die Keime in unbewohntes Gebiet, so Ehret.
Neben Kühlsystemen von Klimaanlagen spielten aber oft auch kontaminierte Wasserleitungen von Hotels als Infektionsursache eine Rolle. Doch dies sei bei der derzeitigen Serie im Raum Ulm sicherlich nicht der Fall.
Im Jahr 2009 gab es im Augsburger Klinikum sechs "sporadische" Legionellen-Erkrankungen, berichtet Ehret. Sporadisch, das bedeutet: Es handelt sich um Einzelfälle, die nicht miteinander in Verbindung stehen. Bei diesen Fällen könne man üblicherweise keine Quelle der Infektion mehr ausfindig machen.
Teilweise allerdings seien die Betroffenen zuvor im Urlaub gewesen. Und in südlichen Ländern seien Klima- und Warmwasseranlagen offenbar häufiger schlecht gewartet als hierzulande, denn: "Viele Mittelmeer-Hotels gelten als echte Legionellen-Schleudern", so der Experte.
Im Augsburger Klinikum werden alle Patienten mit Lungenentzündung, bei denen Verdacht auf eine Legionellose besteht, gezielt auf die Erkrankung untersucht. Das sei schon deshalb sehr wichtig, weil nicht alle gängigen Antibiotika etwas gegen die Erkrankung ausrichten können, erläutert Ehret. Und zwar nicht etwa, weil die Erreger resistent gegen diese Mittel wären, sondern weil sie sich im Inneren von Abwehrzellen so gut verstecken können. Nur bestimmte Gruppen von Antibiotika seien in der Lage, sie dort zu erreichen.
Für eine Legionellen-Infektion müssten verschiedene Faktoren zusammenkommen: geeignete Bedingungen für eine starke Vermehrung dieser Bakterien, die Bildung von Aerosolen und nicht zuletzt ein geschwächtes Abwehrsystem bei jenen, die diese Aerosole inhalieren. Selbst Vorsorge zu treffen gegen eine Infektion hält Ehret kaum für möglich. Denn in Privathaushalten, erklärt er, spielten die Erreger nur eine untergeordnete Rolle.