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Fall Mollath: Anwalt rechnet noch vor Wahl mit Mollaths Entlassung

Fall Mollath

Anwalt rechnet noch vor Wahl mit Mollaths Entlassung

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    Gustl Mollath wurde 2006 wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen worden und sieht sich als Opfer eines Komplotts. Inzwischen sind die Zweifel an dem Urteil tatsächlich so groß, dass Verteidigung und Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt haben.
    Gustl Mollath wurde 2006 wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen worden und sieht sich als Opfer eines Komplotts. Inzwischen sind die Zweifel an dem Urteil tatsächlich so groß, dass Verteidigung und Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt haben. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der Anwalt des seit sieben Jahren zwangsweise in der Psychiatrie sitzenden Gustl Mollath rechnet noch vor der Landtagswahl im September mit der Entlassung seines Mandanten. "Ich halte die Argumente in beiden Wiederaufnahmeanträgen für so zwingend, dass ein denkender Jurist keine Gegenargumente finden kann", sagte der Hamburger Jurist Gerhard Strate der Nachrichtenagentur dpa. "Das ist kein Zweckoptimismus von mir. Ich halte die beiden Gesuche für gut ausgearbeitet." Er selbst und die Staatsanwaltschaft Regensburg hatten beantragt, das Strafverfahren gegen Mollath neu aufzurollen.

    Trotzdem schloss Strate nicht vollständig aus, dass das mit der Prüfung der Anträge befasste Landgericht Regensburg die Gesuche ablehnt. In einem solchen Fall werde er sofort Beschwerde beim Oberlandesgericht Nürnberg einlegen. "Notfalls gehen wir vor das Bundesverfassungsgericht", sagte Strate.

    Mollath seit 2006 in der Psychiatrie

    Der heute 56-jährige Mollath war im Jahr 2006 wegen vermuteter Gemeingefährlichkeit in die Psychiatrie eingewiesen worden. Laut damaligem Urteil hatte er seine Frau schwer misshandelt und die Reifen mehrerer Dutzend Autos zerstochen.

    Brisant ist der Fall, weil Mollath 2003 seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden beschuldigt hatte, in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Die Staatsanwaltschaft leitete keine Ermittlungen ein. Doch eine vor kurzem bekanntgewordene Untersuchung der Bank bestätigte manche von Mollaths Vorwürfen.

    Chronologie des Falls Mollath

    Ab 2006 saß der Nürnberger Gustl Mollath in der Psychiatrie. Hier eine Chronologie des Falles:

    November 2002: Gustl Mollath wird von seiner Frau wegen Körperverletzung angezeigt. Er soll sie im August 2001 ohne Grund mindestens 20-mal mit den Fäusten geschlagen haben. Außerdem habe er sie gebissen, getreten und sie bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt.

    Mai 2003: Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erhebt Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

    September 2003: Die Hauptverhandlung beginnt vor dem Amtsgericht Nürnberg. Im April 2004 wird sie fortgesetzt. Ein Gutachter attestiert dabei Mollath erstmals gravierende psychische Störungen.

    Dezember 2003: Mollath erstattet Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HypoVereinsbank und 24 Kunden wegen Steuerhinterziehung, Schwarzgeld- und Insidergeschäften.

    Februar 2004: Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft abgelegt. Begründung: Es gebe nur einen pauschalen Verdacht. Die Angaben seien zu unkonkret, als dass sie ein Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würden.

    Juni 2004: Mollath wird gegen seinen Willen zur Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen gebracht, kommt aber schon kurz darauf wieder frei. Im Februar 2005 wird er in das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eingewiesen. Dort bringt er fünf Wochen zu.

    August 2006: Das Landgericht Nürnberg spricht Mollath von den Vorwürfen der Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Sachbeschädigung frei. Aber die Strafkammer Mollaths ordnet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle.

    Februar 2007: Der Bundesgerichtshof verwirft die Revision als unbegründet.

    März 2012: Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Rechtsausschuss des Landtags, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei «weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen». Seine Vorwürfe gegen die Bank hätten keinen begründeten Anfangsverdacht für Ermittlungen ergeben.

    November 2012: Ein interner Revisionsbericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass ein Teil von Mollath Vorwürfe zutreffend war. Die Freien Wähler fordern Merks Rücktritt und einen Untersuchungsausschuss im Landtag.

    30. November 2012: Merk will den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen. Grund war die mögliche Befangenheit eines Richters.

    18. März 2013: Die Staatsanwaltschaft Regensburg beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt sich dabei auf «neue Tatsachen», die dem Gericht bei der Verurteilung im Jahr 2006 noch nicht bekanntgewesen seien. Entscheiden muss das Landgericht Regensburg.

    26. April 2013: Der Mollath-Untersuchungsausschuss tritt erstmals zusammen.

    28. Mai 2013: Das Landgericht Regensburg lehnt eine Entscheidung über Mollaths Psychiatrie-Unterbringung vor der Prüfung des Wiederaufnahmeantrags ab.

    12. Juni 2013: Das Landgericht Bayreuth ordnet an, dass Mollath mindestens noch ein weiteres Jahr und damit bis 2014 in der Psychiatrie bleiben muss.

    06. August 2013: Mollath kommt frei. Das OLG Nürnberg ordnet die Wiederaufnahme des Falls an und verfügt, dass diese an einer anderen Kammer des Landgerichts Regensburg stattfinden muss.

    05. September 2013: Die Verfassungsbeschwerde Mollaths ist erfolgreich. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gab seiner Beschwerde gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg statt. Die Beschwerde sei offensichtlich begründet, hieß es.

    19. Dezember 2013: Das Landgericht Regensburg teilt mit, dass das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath am 7. Juli 2014 beginnt.

    13. Januar 2014: Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen die Ex-Frau von Gustl Mollath eingestellt. Mollath hatte seine frühere Ehefrau im August 2013 angezeigt, weil sie in einem Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe 2008 nicht die Wahrheit gesagt habe. Dafür ergaben sich laut Staatsanwaltschaft aber keine Anhaltspunkte.

    28. April 2014: Gustl Mollath will das Oberlandesgericht Bamberg mit einer weiteren Verfassungsbeschwerde zwingen zu verkünden, ab wann er unrechtmäßig in der Psychiatrie gesessen habe. Hintergrund ist ein Beschluss des OLG Bamberg aus dem Jahr 2011, nach dem Mollath weiter in der Psychiatrie bleiben musste. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass dadurch Mollaths Grundrecht auf Freiheit verletzt worden war.

    07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren gegen Mollath.

    08. August 2014: Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer einen Freispruch für Gustl Mollath. Dabei ist der Anklagevertreter jedoch von der Schuld des 57-Jährigen überzeugt. Die Verteidigung verlangt einen Freispruch "ohne Wenn und Aber". Mollath selbst weist die Vorwürfe zurück.

    14. August. 2014: Das Landgericht Regensburg spricht Gustl Mollath frei. dpa

    Mollath selbst und viele seiner Unterstützer glauben, er sei Opfer eines Komplotts seiner früheren Ehefrau und der Justiz geworden, weil er Schwarzgeldgeschäfte in Millionenhöhe aufgedeckt habe. Seine Frau hat das zuletzt in einem Zeitungsinterview bestritten.

    Der Entscheidung des Landgerichts Bayreuth vom Mittwoch, Mollath vorerst nicht aus der Psychiatrie zu entlassen, misst Strate keine große Bedeutung bei: "Das macht mir keine schlaflosen Nächte. Von der

    Fall wird zur Belastung für Bayerns Justizministerin Merk

    Die Haltung des Landgerichts Bayreuth und die monatelange Prüfung der Wiederaufnahmeanträge beim Landgericht Regensburg zeigen nach Strates Einschätzung, "dass kein Gericht in Bayern den ersten Schritt tun will". Zudem zeigten bayerische

    Für die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) ist der Fall Mollath eine Belastung: Sie hatte sich 2012 zunächst monatelang vor die Justiz gestellt - und dann Ende November in einer abrupten Kehrtwende einen Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft angeordnet. dpa

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