Endlich ist er da, der Wohlstand. Im Kino laufen die kitschigen Sisi-Filme und das „Wirtshaus im Spessart“. Vor der Tür steht das eigene Auto, ein VW Käfer mit ausklappbaren Blinklichtern oder die BMW Isetta. Damit zuckelt die moderne Familie über den Brenner ans Meer, nach Italien. Ins Wohnzimmer zieht der Fernseher ein und die Musiktruhe.
So waren sie, die Wirtschaftswunderjahre in Bayern. Der Neuanfang aus den Kriegstrümmern, die spannungsgeladene Zeit des Wiederaufbaus des zerstörten Deutschland bis zum neuen Wohlstand der 50er Jahre ist das Thema der Wanderausstellung „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“, die gestern Abend im Augsburger Textil- und Industriemuseum eröffnet wurde.
Die liebevoll zusammengestellte Schau rund um Trümmernot und Petticoat, Nierentisch und Carepaket war 2009 vom Haus der Bayerischen Geschichte als Landesausstellung unter dem Titel „Wiederaufbau und Wirtschaftswunder“ konzipiert worden. Ausgewählte Highlights wandern seither als kleine, feine Ausstellung durch die bayerischen Regierungsbezirke. Jetzt ist sie in Augsburg angekommen.
Denn auch Augsburg lag 1945 in Trümmern: Britische Luftangriffe hatten bis Kriegsende einen Großteil der Wohnungen zerstört oder beschädigt, etwa 1500 Augsburger waren ums Leben gekommen, 85000 Menschen obdachlos. Eine ungeheure Kraftanstrengung war nötig, um Augsburg, um Bayern wieder nach vorne zu bringen.
Eine wichtige Rolle in der Wirtschaftswunderzeit spielte die für Augsburg so wichtige Textilindustrie. Günstige Arbeitskräfte und die steigende Nachfrage nach Textilien sorgten für schnelles Wachstum. Bis 1957 nahm die Zahl der Beschäftigten in der bayerischen Textilindustrie stetig zu, allein in Augsburg gab es 17500 Textilarbeiter. Erst halfen die vielen Kriegsflüchtlinge und Heimatvertriebenen aus. Als die billigen Arbeitskräfte knapper wurden, holte man die Gastarbeiter nach Bayern. Italiener erst, dann Spanier, Griechen, Türken und Portugiesen – auch das ist ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung.
Ebenso wie die moderne Frau, die längst das Kopftuch der Trümmerfrau abgelegt und eine stets adrett gestärkte Schürze angezogen hatte. Nur ihre Rolle als Hausfrau ist ihr aus der Nazizeit noch geblieben. Dafür bekam sie Mixer, Staubsauger und Waschmaschine. Kleine Helferlein, die ihr genügend Zeit verschafften, um im neuen Quelle-Katalog zu blättern oder um Exotisches zu entwickeln – wie den „Toast Hawaii“.