"Es lebe die Freiheit", das war der letzte Satz von Hans Scholl, bevor er seinen Kopf unter das Fallbeil legen musste und von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Seine jüngere Schwester Sophie war da schon tot. Die beiden Studenten hatten die Schreckensherrschaft Adolf Hitlers nicht hinnehmen wollen und kämpften mit ihren Mitstreitern von der Widerstandsbewegung "Weiße Rose" für Frieden und Freiheit. Die Nationalsozialisten ermordeten sie dafür am 22. Februar 1943. 70 Jahre ist das nun her.
Weiße Rose: Flugblätter und Anti-Hitler-Parolen
Bis zur Festnahme an jenem schicksalhaften Donnerstagmorgen des 18. Februar 1943 hatte es die Gestapo nicht ansatzweise geschafft, der Widerstandsbewegung auf die Schliche zu kommen. Diese hatte ihre Aktivitäten nach der verheerenden Schlacht von Stalingrad mit Hunderttausenden toten Soldaten verstärkt, nachts Flugblätter in München verteilt und Anti-Hitler-Parolen an Hauswände geschrieben.
"Es lebe die Freiheit!"
Die Mitglieder der "Weißen Rose"
Die Geschwister Hans und Sophie Scholl sind heute die bekanntesten Mitglieder der Widerstandsgruppe «Weiße Rose».
Doch ihre Freunde spielten eine ebenso wichtige Rolle.
Sie gehörten zum engeren Kreis der Gruppe, sie gingen dasselbe Risiko ein - und auch sie wurden für ihre Überzeugungen von den Nazis ermordet.
Hans und Sophie Scholl sind die bekanntesten Mitglieder der «Weißen Rose».
Hans Scholl studierte Medizin, Sophie Scholl ab 1942 Biologie und Psychologie.
Sie wurden am 18. Februar 1943 nach dem Verteilen von Flugblättern verhaftet und vier Tage später hingerichtet.
Willi Graf studierte wie Hans Scholl Medizin. Im Frühjahr 1941 wurde er an der Ostfront als Sanitätsfeldwebel eingesetzt.
Die Schrecken des Krieges vertraute er seinem Tagebuch an. Anders als die Geschwister Scholl weigerte er sich, der Hitlerjugend beizutreten.
Willi Graf wurde am 12. Oktober 1943 von den Nazis getötet.
Professor Kurt Huber lehrte Psychologie, Philosophie und Musikwissenschaft an der Münchner Uni.
Seine Vorlesungen ohne Manuskript galten unter Studenten als Geheimtipp. Er verfasste das sechste Flugblatt der Widerstandsgruppe. Am 13. Juli 1943 wurde er mit dem Fallbeil hingerichtet.
Christoph Probst wurde gemeinsam mit den Geschwistern Scholl zum Tode verurteilt und am gleichen Tag von den Nazis hingerichtet.
Er war ein enger Schulfreund Hans Scholls, studierte ebenfalls Medizin, war verheiratet und hatte drei kleine Kinder.
Alexander Schmorell wurde in Russland geboren und floh mit seiner Familie vor den Unruhen der russischen Revolution nach Deutschland.
Schmorell lernte Hans Scholl 1941 beim Medizinstudium kennen. Die ersten Flugblätter verfassten Schmorell und Hans Scholl zu zweit unter großer Geheimhaltung.
Schmorell wurde am 13. Juli 1943 gemeinsam mit Kurt Huber von den Nazis hingerichtet.
Nun betreten Hans und Sophie Scholl an jenem Morgen im Februar mit einem Koffer voller Flugblätter die Münchner Universität, an der er Medizin und sie Biologie und Psychologie studiert. "Eine merkwürdige Mischung aus Kaltblütigkeit und Leichtsinn, aus Euphorie und Depression muss diese Aktion bestimmt haben", schreibt der Journalist und "Weiße Rose"-Experte Ulrich Chaussy in seinem gerade erschienenen Buch "Es lebe die Freiheit! - Die Geschichte der Weißen Rose und ihrer Mitglieder in Dokumenten und Berichten".
LMU-Hausmeister verriet Geschwister Scholl
Als die Geschwister die Flugblätter von der Balustrade des Lichthofes im Foyer der Universität fallen lassen, werden sie von dem Hausmeister Jakob Schmid entdeckt und der Gestapo ausgeliefert. Vier Tage später sind die beiden - nur 24 und 21 Jahre alt - und ihr Mitstreiter Christoph Probst (23) tot. Später im Jahr werden auch die "Weiße Rose"-Mitglieder Alexander Schmorell, Willi Graf und Kurt Huber von den Nazis hingerichtet.
Huber hatte das sechste Flugblatt der Widerstandsbewegung verfasst, bei dessen Verteilung Hans und Sophie Scholl festgenommen werden. Es gehe um "den Kampf jedes einzelnen von uns um unsere Zukunft, unsere Freiheit und Ehre", steht darin. "Mein Vater war ein Held", sagt heute sein Sohn Wolfgang, der bei der Ermordung von Kurt Huber vier Jahre alt war. "Wir haben in der Familie wenig über ihn gesprochen. Das war das einzige, was immer klar war."
Probst war Vater von drei kleinen Kindern
Die Widerstandsbewegung «Weiße Rose»
«Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt. Entscheidet Euch, eh es zu spät ist!»
Diese Botschaft verbreitete die Widerstandsbewegung «Weiße Rose» in ihrem fünften Flugblatt.
Hier die wichtigsten Stationen ihres Widerstandskampfes.
April 1942: Willi Graf lernt Hans Scholl und Alexander Schmorell kennen.
Mai 1942: Sophie Scholl beginnt ihr Biologie- und Philosophie-Studium in München.
27. Juni bis 12. Juli 1942: Hans Scholl und Schmorell entwerfen und verbreiten die ersten vier Flugblätter der «Weißen Rose».
Ende Januar 1943: Das fünfte Flugblatt der «Weißen Rose» erscheint.
Hans Scholl, Schmorell und Graf verteilen rund 5000 Exemplare nachts in der Münchner Innenstadt.
Februar 1943: Die Gestapo richtet eine Sonderkommission ein, die ermitteln soll, wer hinter den regimekritischen Flugblättern steckt.
12. bis 16. Februar 1943: Das von Kurt Huber verfasste sechste Flugblatt wird gedruckt und verteilt.
18. Februar 1943: Sophie und Hans Scholl werden in der Universität München verhaftet, als sie dort Flugblätter verteilen.
Am Abend werden Willi Graf und seine Schwester Anneliese verhaftet. Schmorell versucht, unterzutauchen.
20. Februar 1943: Christoph Probst wird in Innsbruck verhaftet.
22. Februar 1943: Die Geschwister Scholl und Christoph Probst werden vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler zum Tod durch die Guillotine verurteilt. Das Urteil wird noch am gleichen Tag vollstreckt.
19. April 1943: Willi Graf, Schmorell und Huber werden zum Tode verurteilt.
13. Juli 1943: Schmorell und Huber werden unter dem Fallbeil hingerichtet. 12. Oktober 1943: Nach monatelangen Verhören wird auch Graf hingerichtet.
Dezember 1943: Britische Bomber werfen das sechste Flugblatt der «Weißen Rose» über Deutschland ab.
Das Todesurteil gegen die Geschwister Scholl und ihren Mitstreiter Probst, einen Vater von drei kleinen Kindern, fällt der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, am 22. Februar. Grundlage sind die Gestapo-Vernehmungsprotokolle. Tagelang sind Hans und Sophie Scholl von den Kommissaren Anton Mahler und Robert Mohr getrennt voneinander verhört worden, das Urteil steht schon vor Prozessbeginn fest. "Der Gauleiter bittet, die Aburteilung in den nächsten Tagen hier und die Vollstreckung alsbald darauf vorzunehmen", heißt es in einer Anweisung des Gerichtes, bevor der Schauprozess überhaupt begonnen hat.
Eltern Scholl durften nicht in Gerichtssaal
Ein Zeuge schreibt später, Richter Freisler habe den Prozess "tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend, immer wieder explosiv aufspringend" geführt. Den Eltern der Geschwister Scholl verweigert er den Zutritt in den Gerichtssaal. Um 12.45 Uhr verkündet Freisler das Todesurteil - unter anderem wegen "Wehrkraftzersetzung". Gnadengesuche werden abgelehnt. Um 17 Uhr werden die Geschwister Scholl und Christoph Probst mit der Guillotine hingerichtet.
Kurz vorher ist es den Eltern erlaubt, ihre Kinder ein letztes Mal zu sehen. Gestapo-Mann Robert Mohr, der mit seinem Verhör die Grundlage für die Verurteilung Sophie Scholls legte, im Jahr 1977 starb und nach Angaben von Autor Chaussy nie für seine Taten zur Rechenschaft gezogen wurde, sah die junge Frau zum letzten Mal nur rund zwei Stunden vor ihrer Hinrichtung. "Sie entschuldige sich ihrer Tränen, indem sie mir mitteilte: "Ich habe mich gerade von meinen Eltern verabschiedet, und sie werden begreifen"", erinnert ausgerechnet Mohr sich später. "Nach einigen Worten des Trostes habe ich mich von Sophie Scholl verabschiedet. Ich kann nur wiederholen, dass dieses Mädel, wie auch ihr Bruder, eine Haltung bewahrt hat, die sich nur durch Charakterstärke, ausgeprägte Geschwisterliebe und eine seltene Tiefgläubigkeit erklären lässt." dpa/AZ