Liebe, Heldentum, Freiheitsstreben, Rache, Verrat, Aufbegehren, Heimtücke, Buße, Brutalität, Gier, Treue, Rivalität, Lebenswut, Übermut: Es wogen und ballen sich die „schröcklich“ dramatischen Gefühle und Taten in Friedrich Schillers Schauspiel „Die Räuber“. Sturm und Drang und Pathos treiben die Personen und die Handlung voran. Schiller berauscht sich an seiner leidenschaftlich-hitzigen Sprache und bleibt in diesem Furor konsequent auf der Überholspur.
Immer geht es um grausame Zufälligkeit unserer Existenz, um Leben und Tod, wobei der Tod am Ende naturgemäß der einzige Ausweg bleibt – drunter tat es der junge Dichter nicht, dessen Drama 1782 uraufgeführt wurde.
Und so endet die aktuelle Augsburger Inszenierung des Klassikers (zuletzt gab es „Die Räuber“ im Stadttheater vor 25 Jahren) denn auch in einem Schlussbild mit vielen Toten. Karl Moor, der vom edelmütigen Robin Hood zum getriebenen Mordbrenner gewordene Räuberhauptmann, sitzt in einem neonlichtkalten, kahlen Kabinett auf dem Thron des Vaters und hat alles verloren bis auf das eigene Leben. Er wird es auch noch hingeben, so wie der Vater, der Bruder Franz, die Geliebte Amalia, die ihm tot zu Füßen liegen. Regisseur Fabian Alder, geboren 1981, hat Schillers Drama auf drei Stunden komprimiert und dekonstruiert. Das aber nur halbherzig, sodass diese Inszenierung seltsam ratlos, unentschieden und unfertig wirkt. Ein mit Musik (Oliver Roth) angereicherter Bilderreigen von ein paar starken Einzelszenen und guten Einfällen (die erschöpft keuchenden Räuber mit dem toten Roller; Karl Moor und sein Spiegelbild Kosinsky), der jedoch auseinanderfällt und kein schlüssiges Ganzes ergibt.
Es wird gerungen, gestikuliert, geschrien
Mal macht sich die Inszenierung über das Pathos lustig und treibt Schillers Spiel in Richtung Boulevard. Es knallen dann die Papptüren auf der Drehbühne (Susanne Hiller legt sich nicht fest auf eine Zeit), es wird gerungen, gestikuliert und viel geschrien, die Räuberbande tritt auf wie Lurchi und seine Freunde auf Abwegen. Franz, der intrigante Sohn, tanzt mit Zylinder eine kleine Fred-Astaire-Nummer, er zieht den Vater am Ohr wie ein Lehrer seinen ungezogenen Schüler. Hausknecht Daniel (Toomas Täht) kommt wie ein der Rocky Horror Picture Show entsprungener buckliger Freak daher und wird von Franz einmal zum Hitlergruß auf- und hergerichtet.
Diese Brechungen führen aber nicht in einen anderen Schiller, einen „Schiller light & lustig“, wie er liebevoll im Programmheft von Marcel Reich-Ranicki gesehen wird, der „Die Räuber“ hintersinnig als wahren Kitsch, Trivialliteratur und albernen Blödsinn bezeichnet. Denn Fabian Alder bleibt nicht auf diesem Kurs, sondern gibt solide-biedere Werktreue ebenso, wie er in den Tiefen des Dramas schürft. Platz ist für Veralberung und Verzweiflung, für Komik und Schock.
Dabei setzt die pendelnde Regie besonders auf Bilder, die über die Gewalttätigkeit der Vorlage weit hinausgehen. Da unterzieht Franz Moor die von ihm begehrte Amalia in einer Fußbadschüssel einer Art Water Boarding. Selbiger Franz ist es auch, der dem Vater ein Ohr abschneidet und es genüsslich verspeist. Räuber Schweizer (Michael Stange) reißt dem Widersacher Spiegelberg die Gedärme aus dem Leib. Der Pater, der die umzingelte Bande Karls zur Aufgabe bewegen will, wird nicht nur verhöhnt, sondern nach Gangstermanier hingerichtet: erst Schüsse in die Beine, dann in die Arme, dann ins Herz.
Greifbar werden die Ungereimtheiten der Inszenierung in der Ausgestaltung der Rollen. Franz Moor, der hässliche Bruder, der sich benachteiligt und ungeliebt fühlt, ist bei Tjark Bernau nicht der durchtriebene, berechnende, heimtückische Intrigant von kalter Entschlossenheit, sondern ein zappliger, sich in den Abgründen des Bösen abstrampelnder G’schaftlhuber, bei dem sogar der Freitod in Boxershorts und Socken eher trotzig als tragisch wirkt.
Zu passiv für die Schlacht des Lebens
Bruder Karl, der charismatische, edelmütige und von Idealen befeuerte Held, der sich in Verbrechen und Schuld verstrickt, agiert im Spiel von Ulrich Rechenbach seltsam gebremst und verhalten – ein Melancholiker in zu großen Stiefeln, der für die Schlacht des Lebens, in die Schiller ihn schickt, zu passiv und unentschlossen scheint. Konsequent angelegt und glaubwürdig agierend sind Vater Moor (Eberhard Peiker, ein Vorbild auch in Sprechkultur) und Räuber Spiegelberg (Alexander Darkow). Amalia schließlich wird von Lucy Wirt als temperamentvolle, selbstverliebte, kokette Frau gegeben, die ihr Begehrtwerden zu genießen weiß und ansonsten über allem zu stehen scheint. Eher beiläufig bittet sie am Ende Karl um den Todesschuss.
In den ordentlichen Applaus des Premierenpublikums mischten sich einige Buhs für die Regie.
Weitere Termine 15., 22., 25. Februar, 1., 2., 9., 11. und 31. März