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Schach: Zug um Zug dem Ziel näher

Schach

Zug um Zug dem Ziel näher

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    Das Hinterzimmer des Hotel Ibis ähnelt an diesem Wochenende einem Serverraum. Nur verrichten hier keine Computer ihr Werk, in diesem Rechenzentrum arbeiten menschliche Prozessoren auf Hochtouren. Trotz geöffneter Tür in den Hinterhof riecht die Luft verbraucht, als würden die Gehirne den Sauerstoff wegsaugen. Ruhe durchdringt den Raum, nur manchmal knarzt ein Stuhl. Und das stundenlang. Schach ist nicht jedermanns Sache, wer sich indes dafür begeistert, wendet viel Zeit dafür auf. Studiert im Internet Gegner, legt sich Strategien zurecht, kämpft am Brett um seine Stellungen.

    Gregory Pitl spielt seit seinem vierten Lebensjahr Schach, mit neun Jahren nahm er an ersten Turnieren teil. An Diskussionen, ob Schach nun Sport sei oder nicht, beteiligt sich der Lockenkopf gar nicht erst. „Entscheidend für mich ist, dass ich es gern spiele.“ Pitl gehört dem Zweitligateam des SK Göggingen an, das ambitioniert an die Bretter geht. Der 34-Jährige und seine Mitstreiter wollen Meister werden. Durch die Heimerfolge gegen Erlangen (5,5:2,5) und Forchheim (5,5:2,5) sind sie diesem Ziel näher gekommen. Ob sie im Erfolgsfall aufsteigen, wird gegebenenfalls entschieden. Der Aufwand wäre noch größer, an den Spieltagen durch ganz Deutschland zu reisen, raubt Zeit und kostet Geld, etwa für Live-Übertragungen der Partien im Internet, die der Verband zwingend fordert.

    Wagt Göggingen das Abenteuer Bundesliga, müsste der Schachklub überdies wohl seinen Kader verstärken. Wer in den höchsten Ligen erfolgreich sein will, braucht Qualität – da unterscheidet sich Schach nicht von anderen Sportarten. In Göggingen schieben jetzt schon unter anderem ein Litauer, ein Belgier, zwei Serben und zwei Bulgaren Könige, Damen und Türme übers Geviert. Sie werden für Spieltage verpflichtet, erhalten Aufwandsentschädigungen und Antrittsprämien.

    Dass die Protagonisten während der Saison für unterschiedliche Klubs in unterschiedlichen Ländern antreten, ist weit verbreitet. So spielt Gregory Pitl seit zehn Jahren nicht nur für Göggingen, sondern auch für den österreichischen Verein Royal Salzburg. Als Student trat Pitl sogar für einen spanischen Verein an.

    Zu den deutschen Mitgliedern in Göggingens Team zählt neben Pitl der Dortmunder Eckhard Schmittdiel. Kurz vor der Wende versuchte sich der 56-jährige Großmeister als Profi, danach drängten unzählige Spieler aus Osteuropa auf den Markt. Schmittdiel sagt, er habe das Schachspiel zwischenzeitlich übertrieben, gönnte seinem Körper und Geist kaum Pausen. Das machte sich gesundheitlich bemerkbar. Jetzt spielt er dosiert, hebt die Vorzüge hervor. „Man kann gut dabei abnehmen, weil das Gehirn Zucker braucht. Und es schärft die Konzentration“, erklärt er.

    Dass Schach anstrengt, ist den Spielern anzumerken. Gefesselt, in Denkerpose starren sie auf schwarze und weiße Figuren, ihre Konzentration ist zu greifen. Mathematiker Gregory Pitl weiß, Nachwuchs für diese Art Freizeitbeschäftigung zu finden, ist dennoch schwierig. Zwar kämen Schüler in AGs mit Schach in Kontakt, einem Verein schließen sie sich deshalb nicht an. Zudem ist Schach alles andere als zuschauerfreundlich.

    Die Partien dauern im Schnitt dreieinhalb Stunden, Aktionen sind langatmig und schwer zu durchschauen und das Spielgeschehen geht emotionslos vonstatten. Und oft gibt es keinen Sieger. Selbst die Tatsache, dass dieser Tage Weltmeister Carlsen und Herausforderer Karjakin in New York um den WM-Titel spielen, ändert nichts an der grundlegenden Wahrnehmung.

    Der Dortmunder Schmittdiel findet die WM „hochinteressant“, doch selbst ihm fehlt die Zeit dafür, dem Treiben im Internet zu folgen. Dazu passt seine nicht ganz ernst gemeinte Aussage, warum fast nur Männer Schach spielen würden. Frauen hätten nun mal Wichtigeres zu tun, meint Schmittdiel.

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