SV Wilhelmshaven gegen FC Augsburg. Am morgigen Freitag (20 Uhr) kommt es in der ersten Hauptrunde des Fußball-DFB-Pokals zu diesem Duell. Für den FCA ist es übrigens die weiteste Anreise zu einem Pflichtspiel in der Vereinsgeschichte. Genau 782 Kilometer sind es vom Lech an die Nordsee.
Die Geschichte des Fußball-Regionalligisten SV Wilhelmshaven – sie wird wohl für immer mit der „Fax-Affäre“ aus dem Jahr 2001 verbunden sein, als der damalige Drittligist erst mit 8,4 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz rauschte und dann die Klassenzugehörigkeit verlor, weil ein Fax fünf Minuten zu spät beim Deutschen Fußball-Bund ankam.
Die Liga lachte damals über die Faxen aus dem hohen Norden, der Verein scheiterte beim Versuch der Wiederzulassung über eine einstweilige Verfügung. Monate später wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, die letzte von acht Faxseiten, eine Bankbürgschaft in Höhe von 500000 DM, sei nicht ganz unabsichtlich fünf Minuten nach Mitternacht, dem Ende der Frist, auf den Weg gebracht worden.
Abstieg bis in die Oberliga
Highnoon in Wilhelmshaven – das hatte auch in der Folge Methode, auch wenn der Abstieg in die Oberliga den Einstieg eines Sponsors bedeutete, der auch bundesweit einen Namen hat. Albert Sprehe unterstützt den Verein – mal mehr, mal weniger, häufig verzögert zahlend – seit dieser Zeit. Albert Sprehe? Nichte Kristina ritt jüngst in London auf seinem Pferd zu Gold. Mit seinem Bruder Paul zusammen betreibt Sprehe ein Gestüt mit mehr als 60 Deckhengsten. Zudem erwirtschaftet die Sprehe Unternehmensgruppe, die mit Feinkost ihr Geld verdient, mit 2500 Mitarbeitern einen Umsatz von derzeit ca. 650 Millionen Euro. Und auch der Dortmunder Fußball-Fan beißt rund um seine Borussia-Spiele in eine Sprehe-Wurst.
Immer wieder aber erlitt das Bemühen des Vereins um Seriosität und Solidität trotz der Unterstützung in der Folge Schiffbruch – aufgrund der angrenzenden Nordsee ein wohl legitimes Bild. Mal legte die Stadt eine Kette vor den Eingang des VIP-Raums im Stadion, weil der Verein die Bewirtschaftungskosten nicht zahlte (2004), mal holte Kurzzeit-Berater Franz Gerber in der Winterpause acht neue Spieler, die 2007 den Abstieg aus der Regionalliga (seinerzeit mit Fortuna Düsseldorf und Union Berlin) zwar auch nicht verhinderten, aber neben einer babylonischen Sprachverwirrung auch ein hübsches Loch in die Kasse rissen. Mit einer Altlast aus dieser Zeit haben die Wilhelmshavener, die 2008 den Wiederaufstieg schafften, heute noch zu tun. Denn zwei argentinische Vereine forderten für den Wintertransfer von Sergio Sagarzazu eine Ausbildungsentschädigung vom SVW.
Zur Zahlung von 150000 Euro verdonnert
Der Fall ging bis vor den Europäischen Sportgerichtshof CAS, der den Verein zur Zahlung von 150 000 Euro verdonnerte. Weil die Wilhelmshavener nicht zahlen wollten, sprach die Fifa in der vergangenen Spielzeit, in der es aufgrund der Aufstockung der Regionalligen von vier auf sechs keinen Absteiger gab, einen Sechs-Punkte-Abzug aus. Ähnliches droht dem SVW auch in dieser Serie noch einmal.
Sportlich machte das Team vom Jadebusen allerdings auch von sich reden. Zum vierten Mal schaffte man die Qualifikation für die erste DFB-Pokalrunde (1980, 2007, 2010, 2012), dreimal allerdings endete dieses Abenteuer auch mit dem Anfang (VfL Bochum 1:4, 1. FC Kaiserslautern und Eintracht Frankfurt jeweils 0:4).
Derzeit werden die Wilhelmshavener vom ehemaligen Osnabrücker Bundesliga-Profi Christian Neidhart (43) trainiert, der als Nachfolger des ehemaligen DDR-Nationalspielers Wolfgang Steinbach im zweiten Jahr versucht, mit einem Mini-Etat und vielen jungen Leuten die Klasse zu halten.
Für viele Spieler sind die Gelb-Roten deshalb nur ein Sprungbrett, um in der Liga auf sich aufmerksam zu machen. Zuletzt schaffte das Angreifer Francky Sembolo, der sich nach 17 Saisontreffern zu Zweitligist Jahn Regensburg verabschiedete.
Der SVW trägt seine Spiele im 1999 eingeweihten Jadestadion (7500 Plätze) aus, das in der Vergangenheit schon häufiger Schauplatz für DFB-Junioren-Länderspiele war. Das Zuschauerinteresse am SVW hält sich in der 80 000-Einwohner-Stadt, die zuletzt durch die verzögerte Einweihung des Containerhafens JadeWeserPort bundesweit in die Schlagzeilen geriet, in Grenzen. Nur rund 700 Zuschauer verlieren sich bei den Heimspielen im Stadion; sportliche Nummer eins in der Stadt ist Handball-Drittligist WHV, der sechs Jahre lang (2002 bis 2008) der ersten Liga angehörte – und sich damals zumindest geografisch mit den Fahrten nach Balingen-Weilstetten in Württemberg dem FC Augsburg annäherte.