Hertha BSC – bis zum Samstag hatten diese beiden Worte einen bitterbösen Klang für Gibril Sankoh (28). Zweimal war der Fußballprofi aus Sierra Leone bis dato mit dem FC Augsburg gegen die Berliner angetreten, zweimal wäre Sankoh an diesen Tagen besser im Bett geblieben.
Es war am letzten Spieltag der vergangenen Saison, als Sankoh die Aufstiegsfeierlichkeiten beider Teams im Berliner Olympiastadion etwas trübte. Nach einer Notbremse an Rob Friend sah er bei der 1:2-Niederlage in der 74. Minute von Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus die Rote Karte. Sankoh erhielt zwei Spiele Sperre und verpasste damit die Bundesliga-Premiere des FC Augsburg.
Dabei war er in den Planungen für das Projekt Klassenerhalt von Jos Luhukay eine feste Größe. Denn Sankoh, der im Sommer 2010 vom niederländischen Erstligisten FC Groningen zum FCA gewechselt war, entpuppte sich als Volltreffer. Stark im Zweikampf, mit einer überragenden Lufthoheit und dann auch noch technisch beschlagen – Sankoh, der (fast) perfekte Innenverteidiger. Darum forcierte der FCA schon in der Sommerpause die Gespräche für eine vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2013. Das Grundpaket wurde schon im August geschnürt, die endgültige Unterschrift erfolgte im Dezember.
Einen Makel konnte Sankoh bis heute aber nicht ablegen. Es ist sein Hang zum Bruder Leichtfuß, wenn er eine Situation auch unter Druck immer mit einem tollen Pass anstatt mit einem Befreiungsschlag lösen will. In der zweiten Bundesliga wurde diese Arroganz selten bestraft.
Luhukay hoffte auf den Lerneffekt und deshalb baute er Sankoh auch nach dem Ablauf der Rotsperre wieder in die Viererkette ein. Es lief ganz passabel für Sankoh – bis zum Spiel in Berlin am 6. Spieltag. Mit einem dilettantischen Fehler ermöglichte er Hertha das 2:1, Luhukay wechselte ihn sofort aus. Am Ende hieß es 2:2. „Er ist von der Qualität her ein Spieler, der in der Bundesliga mithalten kann, aber das darf nicht passieren. Er ist keine 18 Jahre mehr. Er ist 28“, brodelte Luhukay.
Sankoh lernte aber nicht nachhaltig aus seinen Fehlern, er stand sich immer wieder mal selbst im Weg. Gegen Köln wurde er in der 6. Minute ein- und in der Halbzeit wieder ausgewechselt, so schlecht spielte er. Luhukay hatte genug, nur als Sebastian Langkamp am Ende der Vorrunde verletzt ausfiel, griff er auf Sankoh zurück. Doch die Lehrstunde war noch nicht zu Ende.
Luhukay ließ Sankoh bis zum Spiel gegen Hertha am Samstag auf der Bank schmoren. „Er blieb zu oft hinter seinem Potenzial. Das hat ihm und der Abwehr nicht gutgetan. Aber er hat in den letzten Wochen immer hart trainiert“, erklärte Luhukay seine Entscheidung.
Sankoh selbst sagt: „Ich war diese Situation nicht gewöhnt. In Holland war ich nie fünf Spiele hintereinander auf der Bank gesessen. Ich habe immer gespielt. Da ist es schwierig damit umzugehen, dass du im Training alles gibst, aber keine Chance bekommst, es im Spiel zu zeigen.“
Sankoh biss sich durch und zeigte gegen Hertha sein strahlendes Gesicht: „Ich habe zu mir selbst gesagt, wenn ich die Chance bekomme, muss ich sie nützen, und das habe ich getan.“ Jetzt will er seinen Platz verteidigen: „Ich muss mich wieder darauf konzentrieren, es so zu machen wie in dervergangenen Saison in der zweiten Liga.“ Um weniger fahren zu müssen, ist er mit seiner Familie von Langweid (Lkr. Augsburg) in die Stadt ins Domviertel gezogen. Sankoh meint es ernst. Es wird Zeit. Er ist 28.
Auch in seinem Heimatland ist man auf den Sohn in Deutschland aufmerksam geworden. Beinahe hätte er heute sein Debüt im Nationalteam von Sierra Leone gegeben. Das spielt in der Qualifikation zum Afrika-Cup 2013 gegen São Tomé und Príncipe. Trainer Lars Olof Mattsson hatte ihn nominiert, doch der Verband geschlafen. „Ich hätte gerne gespielt, aber die Einladung kam zu spät“, sagt Sankoh.
Sankoh ist wieder im Spiel. Das weiß auch sein neuer Berater Robert Schneider. Er ist einer der Wichtigen im Geschäft. Zu den Klienten von Avantgarde Sponsoringin München gehören unter anderem Bastian Schweinsteiger und Holger Badstuber. Schneider ist überzeugt, dass Sankoh seinen Weg weiter gehen wird. Darum hat er ihn auch vor einem Jahr unter Vertrag genommen. Schneider sagt: „Der FCA ist ein gut geführter Verein und wir sind über die Vertragsverlängerung sehr glücklich. Jetzt hat es Gibril in den nächsten eineinhalb Jahren selbst in der Hand. Wenn er seine Qualität abrufen kann, dann wird es eine Stufe weiter nach oben gehen.“