André Hahn, 23, hatte keine Chance mehr zu entkommen. Gerade hatte der offensive Mittelfeldspieler des FC Augsburg mit dem 3:0, seinem zweiten Tor innerhalb von drei Minuten, das Spiel gegen Eintracht Braunschweig entschieden, als Mitspieler Daniel Baier ihm einen dicken Knutscher auf die linke Backe drückte. Mit dem lustvollen Kuss, der wohl selbst Baiers Frau Joelle in der Öffentlichkeit die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte, bedankte sich der bärtige Arbeitskollege für den tollen Job, den Hahn auch gegen den Tabellenletzten ablieferte.
Mit seinen Saisontoren fünf (30.) und sechs (33.) ebnete er den Weg zum 4:1 (3:0)-Erfolg im letzten Heimspiel vor der Winterpause. Warum beim FCA genau in diesem Spiel gegen den lahmenden Nachzügler so viele Emotionen im Spiel waren, erklärte FCA-Manager Stefan Reuter nach den begeisternden 90 Minuten. „Wir hatten extrem viel Respekt vor diesem Spiel, weil jeder im Vorfeld gesagt hat, das gewinnt ihr schon. Da ist es nicht leicht, wenn jeder mit so einer Erwartungshaltung ins Stadion kommt.“
Der FCA holt 2013 satte 47 Punkte
In seiner 84. Bundesliga-Partie trug der FCA erstmals schwer die Favoritenbürde. Und wurde ihr am Ende gerecht. Paul Verhaegh (23.) per Foulelfmeter und Halil Altintop (75.) sorgten mit ihren Treffern für die Umrahmung der Hahn-Gala.
Der rechte Außenbahnspieler steht stellvertretend wie kein anderer FCA-Spieler für die phänomenale Entwicklung im Jahr 2013. 47 Punkte wurden bisher saisonübergreifend eingespielt. Das hätte sich Hahn, als er am 18. Januar in Augsburg seinen Dienst antrat, nicht träumen lassen.
Vom Drittligisten Kickers Offenbach war er damals zum FCA gewechselt. Mit nur neun Punkten stand dieser tief im Tabellenkeller. Hahn hatte sich darauf eingestellt, noch ein halbes Jahr in der Bundesliga die eine oder andere Erfahrung mitzunehmen und dann in der Bundesliga zwei anzugreifen.
Es kam alles anders. Der FCA sammelte wie ein Eichhörnchen in der Rückrunde Punkt für Punkt. Hahn half dabei kräftig mit und mischt jetzt die Bundesliga auf.
Andre Hahn: In Windeseile zum Stammspieler
Innerhalb eines Jahres entwickelte er sich vom staunenden Frischling zum etablierten Stammspieler. „Dass es so gut läuft, hätte ich mir nicht erträumen lassen. Ich gebe mein Bestes und will dem Verein so gut wie möglich helfen. Das gelingt mir derzeit ganz gut“, sagt Hahn, der in der Nähe von Cuxhaven aufgewachsen ist, mit seiner angeborenen norddeutschen Bescheidenheit.
Seine Leistungsexplosion verknüpft er eng mit dem Höhenflug des gesamten Teams. „Es liegt zum größten Teil an der Mannschaft. Man fühlt sich hier wohl, es herrscht sehr viel Disziplin, wir arbeiten hart und stehen alle zusammen. Dies ist sehr wichtig für jeden Einzelnen.“
Worte, die Markus Weinzierl gerne hört. Der Trainer, der sich sonst eher auf die Lippen beißen würde, als einen Spieler vor das Kollektiv zu stellen, kommt bei Hahn fast ins Schwärmen: „Er hat eine begnadete Physis und er hat derzeit ein Selbstvertrauen und eine Leichtigkeit, die sehr beeindruckend ist.“
Auch Altintop in blendender Form
Dabei hätte Hahn beinahe gegen Braunschweig nicht spielen können. Er hatte sich während der Woche einen Virus eingefangen. Doch Hahn meldete sich nach wenigen Tagen gesund zurück. Weinzierl wunderte sich, ging das Risiko aber ein: „Andere Trainer würden ihn vielleicht draußen lassen. Aber er läuft halt mit Krankheit einen halben Kilometer weniger und das ist immer noch mehr als die anderen.“ Stimmt. 12,5 Kilometer waren wieder einmal Bestleistung in der SGL-Arena.
Hahn profitiert derzeit aber auch vom Formanstieg von Halil Altintop. Der 30-jährige Türke hat anscheinend in Augsburg seine Wohlfühloase entdeckt. Eingebettet in einen Mannschaftsgeist, den er lange auf seiner Fußball-Wanderschaft gesucht hat, spielt er zurzeit auf unheimlich hohem Niveau. Als Unruhestifter zwischen den gegnerischen Defensivketten sorgt er für Konfusion. Weinzierl sagt: „Er weiß genau, wann er anspielbar ist und wann nicht. Was er im Raum macht, ist sensationell. Er ist unser Spielgestalter mit Torriecher.“
Hahn als Sam-Ersatz in Leverkusen?
Altintop und Hahn, sie prägen derzeit die Offensive des FC Augsburg. Doch während Altintop langsam auf die Zielgerade seiner Karriere einbiegt, beginnt die von Hahn erst gerade. Seine Leistungen wecken bei der Konkurrenz Begehrlichkeiten. So soll ihn Bayer Leverkusen schon als möglichen Ersatz für Sidney Sam (er geht im Sommer wohl zu Schalke 04) auf dem Radar haben. Und Bayer ist sicherlich nicht der einzige Interessent.
Hahn will damit (noch) nichts zu tun haben. „Ich weiß von nichts. Mein Vertrag läuft bis 2016 und darauf konzentriere ich mich erst mal.“ Dies rät ihm auch FCA-Manager Stefan Reuter. „Er ist jetzt seit gerade mal einem Jahr in der ersten Liga. Ich glaube, dass er gut beraten ist, wenn er über nichts anderes nachdenkt. Er soll sich mit uns dort erst einmal stabilisieren.“