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Augsburg: Weltbild in Insolvenz: Für Bischof Zdarsa "herbe Enttäuschung"

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Weltbild in Insolvenz: Für Bischof Zdarsa "herbe Enttäuschung"

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    Der Augsburger Weltbild-Verlag hat wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen mit seinen rund 6300 Mitarbeitern gehörte direkt und indirekt den zwölf katholischen deutschen Diözesen. Am Standort Augsburg müssen nun rund 2200 Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze fürchten.

    Das Unternehmen erklärte am frühen Freitagabend, dass der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werde. Nicht betroffen seien das mit dem Buchhändler Hugendubel betriebene Filialgeschäft, die Geschäfte in Österreich und der Schweiz sowie der Online-Buchhändler bücher.de.

    Weltbild: Antrag auf Insolvenz "unvermeidlich"

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    Als Gründe für die Insolvenz wurden Umsatz- und Ergebnisverluste aus den vergangenen sechs Monaten angeführt. Die zukünftige Finanzierung des Unternehmens habe „in der notwendigen Zeit nicht dargestellt werden“ können, der Antrag auf Insolvenz sei „unvermeidlich“ .

    Verdi-Gewerkschafter Thomas Gürlebeck kritisierte die Weltbild-Gesellschafter scharf: „Die Kirche lässt die Weltbild-Beschäftigten einfach fallen“, sagte er unserer Zeitung. Nach seinen Angaben hat am Dienstag der Aufsichtsrat getagt, am Mittwoch „muss es ein Treffen mit den Banken gegeben haben“. Dem Vernehmen nach soll dabei ein Sanierungskonzept gebilligt worden sein. Am Donnerstag habe sich, so Gürlebeck, jedoch die Gesellschafterversammlung getroffen und „den Stecker gezogen“.

    Sanierungsbemühungen bei Weltbild gescheitert

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    Der Weltbild-Aufsichtsratsvorsitzende Peter Beer, Generalvikar der Erzdiözese München sagte: „Die Bemühungen um den Umbau der Verlagsgruppe Weltbild in ein digitales Handelsunternehmen unter Einschaltung externer Berater hat nicht zum Erfolg geführt.“ Beer bezifferte den notwendigen finanziellen Beitrag der Gesellschafter auf 135 bis 160 Millionen Euro „für die Sanierung des operativen Geschäfts in den kommenden drei Jahren“. Für die anschließende Entschuldung wäre „ein weiterer dreistelliger Millionenbetrag erforderlich“. Dies hielten die Gesellschaftern für nicht verantwortbar. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa sagte, das Scheitern der Sanierungsbemühungen sei eine „herbe Enttäuschung“.

    Bereits für Samstagvormittag wurde in Augsburg ein runder Tisch einberufen. Vertreter aus Politik, der Kammern, Gewerkschaften und Arbeitsagentur werden dabei über die Lage bei Weltbild beraten. Auch Ministerpräsident Horst Seehofer ist eingeschaltet. Seehofer habe den betroffenen Mitarbeitern telefonisch alle Unterstützung zugesagt, „die wir brauchen“. Gribl will aber auch die kirchlichen Eigentümer in die Pflicht nehmen.

    Geschäfte werden weitergeführt

    Das Augsburger Amtsgericht bestellte den Neu-Ulmer Sanierungsexperten Arndt Geiwitz zum Insolvenzverwalter, der jüngst die Schlecker-Pleite managen musste. Geiwitz kündigte an, die Geschäfte von Weltbild ohne Unterbrechung fortführen zu wollen: „Nach den ersten Erkenntnissen kann Weltbild derzeit allen Verpflichtungen nachkommen“, sagte ein Sprecher des Insolvenzverwalters unserer Zeitung. Damit seien die Voraussetzungen gegeben, um den Geschäftsbetrieb in vollen Umfang aufrechtzuerhalten. Der Insolvenzverwalter wolle „alles Menschenmögliche tun“, um die Chancen für eine Sanierung auszuschöpfen „Für eine Prognose ist es noch zu früh“, fügte der Sprecher jedoch hinzu. (mit sok, mke, pom)

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