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Augsburg: Was steckt hinter dem umstrittenen Gebetshaus in Göggingen?

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Was steckt hinter dem umstrittenen Gebetshaus in Göggingen?

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    Tausende Gläubige kamen im Januar dieses Jahres zur „Mehr“-Konferenz nach Augsburg und bezahlten dafür bis zu 140 Euro Eintritt. Danach gab es auch kritisch Fragen.
    Tausende Gläubige kamen im Januar dieses Jahres zur „Mehr“-Konferenz nach Augsburg und bezahlten dafür bis zu 140 Euro Eintritt. Danach gab es auch kritisch Fragen. Foto: Annette Zoepf

    Johannes Hartl geht schwierigen Fragen nicht aus dem Weg. Auf der Internet-Plattform „Youtube“ stellt er sich sie ja auch selbst. Es gibt dort eine Reihe von Videos mit ihm, jeweils etwa 90 Sekunden lang, es geht um Glaubensthemen. „Hat Gott eine Meinung über Sexpraktiken?“, ist etwa der Titel eines der Beiträge. Hartl, ein katholischer Theologe, sitzt auf einem gelben Sessel, blickt in die Kamera und sagt auch zu diesem Thema etwas.

    Hartl, Jahrgang 1979, ist Leiter und Gründer des Gebetshauses, das eher unscheinbar und verborgen in einem Gewerbegebiet in Göggingen zu finden ist; nebenan steht ein Autohaus, sonst gibt es hier nicht viel. Es wird im Gebetshaus ununterbrochen gebetet, 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr. Das ist die Idee des Ganzen. „Bei uns beten Christen verschiedener Konfessionen gemeinsam bei Tag und Nacht“, steht auf der Homepage. „Wir tun das auf moderne Weise mit zeitgenössischer Musik und viel Kreativität.“

    „Wie ein Fieberkrampf“

    Es läuft hier vieles etwas anders, als man es von herkömmlichen Gottesdiensten der Kirche kennt. Gebete seien hier manchmal „wie ein Fieberkrampf“, schrieb die Zeit einmal. Sie werden schon mal von E-Gitarren begleitet. Die Vorbeter, die sich beim Gebetshaus Missionare nennen, tragen keine zeremonielle Kleidung, sondern normale Alltagskluft. Das Gebetshaus zählt zur Strömung der „charismatischen Erneuerung“ in der katholischen Kirche, eine Bewegung, die Ähnlichkeit mit evangelischen Freikirchen besitzt. Das Gebetshaus ist in kirchlichen Kreisen nicht unumstritten. Zuletzt aber hieß es, es werde dort „nichts gelehrt und verkündet, was im Gegensatz zur Lehre der

    Der katholische Theologe Johannes Hartl.
    Der katholische Theologe Johannes Hartl. Foto: Michael Hochgemuth

    Die Verantwortlichen des Bistums hatten sich zu der Stellungnahme veranlasst gesehen, weil das Gebetshaus ziemlich groß und erfolgreich ist und stetig erfolgreicher wird. Täglich kommen um die 100 Menschen in den Gebetsraum, schätzt Hartl. Manchmal auch 200. Vor allem junge Menschen spricht das Angebot an. Die vom Gebetshaus ausgerichtete ökumenische „Mehr“-Konferenz, die einmal jährlich stattfindet, zieht tausende Besucher aus aller Welt an. Zuletzt kamen an die 10000 Menschen zu der viertägigen Veranstaltung auf dem Messegelände. Er glaube, sagt Hartl, dass „lebendige, freudige Spiritualität grundsätzlich ansteckend“ sei.

    Wer sich im Internet umschaut, was Gläubige zum Augsburger Gebetshaus zu sagen haben, findet überwiegend zustimmende bis begeisterte Kommentare. „Eigentlich gar nicht meine Frömmigkeitsrichtung; aber definitiv ein Ort des Gebets. Schön, dass es so was gibt“, findet beispielsweise ein Mann. „Wohne zwar 600 Kilometer weit weg, komme aber immer wieder gern und genieße mein zweites Zuhause“, schreibt eine Frau.

    Es ist allerdings auch nicht so, dass es keinerlei Kritik am Gebetshaus gäbe. Schwierige Fragen. Sie betreffen auch die finanzielle Seite des Projektes, hinter dem ein Verein steht, der Gebetshaus Augsburg e.V. Schon bei der letzten „Mehr“-Konferenz im Januar 2017 zahlten Besucher bis zu 140 Euro für den Eintritt; einige davon wandten sich später an unsere Zeitung, weil sie skeptisch geworden waren. Eine Frau wollte wissen, ob es sich um „Geschäftemacherei“ handele. Bei der kommenden Konferenz im Januar 2018 liegen die Preise noch einmal höher, regulär muss ein Erwachsener aktuell 149 Euro zahlen. Nicht viel weniger, als für ein großes Musikfestival fällig wird.

    Mit einem Konzert vergleichbar

    Im Aufwand, sagt Hartl, sei die „Mehr“-Konferenz durchaus mit einem großen Konzert zu vergleichen. Die Preise seien notwendig, um die Kosten der Veranstaltung zu decken. „Wir sehen das mit einem gewissen Schmerz, dass wir so viel verlangen müssen“, sagt er. Aber man sei froh, wenn man am Ende auf Null rauskomme. Security, Technik, Saalmiete: All das koste, und man habe keine großen Sponsoren im Hintergrund, die viel Geld beisteuerten. Kinder, Besucher aus Osteuropa und Studenten zahlten auch nur einen Bruchteil des regulären Eintrittspreises.

    Der Eingangsbereich des Gebetshauses im Göggingener Gewerbegebiet gleicht einer Hotellobby. Das Haus selbst ist eher unscheinbar und verborgen.
    Der Eingangsbereich des Gebetshauses im Göggingener Gewerbegebiet gleicht einer Hotellobby. Das Haus selbst ist eher unscheinbar und verborgen. Foto: Michael Hochgemuth

    Unstrittig ist: Tausende Gläubige kommen zur „Mehr“, auch wenn sie dafür vergleichsweise viel Geld in die Hand nehmen müssen. Antje Gallert allerdings wird nicht mehr kommen. 2017 war sie noch dabei gewesen, zum ersten Mal. Über das Gebetshaus hatte sie zuvor unter anderem über Youtube erfahren. Erst, sagt sie, war sie begeistert. Doch auf der „Mehr“ kam sie ins Grübeln. Unter anderem wegen der offensiven Spendenpraxis. Das Gebetshaus als Verein ist spendenfinanziert; Mitarbeiter suchen sich einen eigenen Spenderkreis. Auf der Konferenz, sagt Gallert, sei heftig dafür geworben worden, 1000 Euro für „Mission Campus“ zu spenden, ein geplanter Anbau, für den der Verein neben dem Gebetshaus ein Grundstück kaufen will. Ein „Missionar“, den sie unterstützte, habe ihr zudem auf der Konferenz gesagt, er könne ihr auch seine private Kontonummer geben. Eine weitere Kleinigkeit, die sie stutzig machte.

    Gallert hat im sozialen Netzwerk „Facebook“ einen offenen Brief an Hartl geschrieben. Darin fragt sie etwa, warum es eine Firma namens „Gebetshaus Augsburg Services GmbH“ gibt, über die unter anderem Armbänder, Bücher von Johannes Hartl und CD vertrieben werden. Wo es doch immer heiße, der Verein trage sich zu 100 Prozent durch Spenden. So steht es auch auf der Homepage.

    Hartl widerspricht den Vorwürfen. Aufgabe der GmbH sei es, Medien und Angebote zu unterstützen, die gratis herausgegeben werden, deren Produktion aber etwas kostet. Also etwa die Youtube-Videos. Jeder Verein müsse spendengedeckt sein, sonst griffen die Behörden ein. Andere Vereine verkauften auch mal Würstchen. Aber die Formulierung „ausschließlich“ könne man schon überdenken, sagt Hartl. In Saus und Braus lebe er aber wahrlich nicht. Hartl, der Lehramt studiert hat, sagt, er würde in dem Beruf mehr verdienen als jetzt. Die gut 40 Angestellten seien ganz normal sozialversicherungspflichtig angestellt. Es gebe beim Gehalt zwar eine direkte Bindung zu personenbezogenen Spenden. „Aber wie viel jemand verdient, hängt, wie in anderen Organisationen auch, von ganz unterschiedlichen Sachen ab.“ Grundsätzlich orientiere man sich beim Gebetshaus an den Gehältern des Öffentlichen Dienstes.

    Es läuft scheinbar gut

    Wer sich im Gebäude umschaut, bekommt freilich den Eindruck, dass es für den Verein gut läuft. Die Räume sind modern und geschmackvoll eingerichtet, im Eingangsbereich beim Café steht das Modell des „Mission Campus“, das eine Versammlungshalle werden soll, die Millionen kosten wird. Mehr als die Hälfte der Spenden, so geht aus einer Strichliste an einer Wand hervor, hat der Verein bereits beisammen. „Unser Wunsch ist, 2019 mit dem Bau zu beginnen“, sagt Hartl. 2018 plant das Gebetshaus eine weitere Großveranstaltung, eine Kunst- und Kulturveranstaltung im Kongress am Park. Dass das Gebetshaus boomt, liegt auch an Hartl, der charismatisch, freundlich und jugendlich im Auftritt ist, was leicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er teils erzkonservative Ansichten hat. Hartl redet nicht wie ein Pfarrer, sondern hält „Impuls- und Motivationsreden“ zu geistlichen Themen, wie er es selbst sagt.

    Neulich hatten sie hier ein Jubiläum: Seit sechs Jahren wird in Augsburg nun ununterbrochen gebetet. 24 Stunden am Tag, 168 Stunden die Woche, 365 Tage im Jahr.

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