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Musikalienhändler: Von „Putschinis Bohäm“ bis Bachs „Orchestersweet“

Musikalienhändler

Von „Putschinis Bohäm“ bis Bachs „Orchestersweet“

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    Thomas Ballinger-Amtmann, Inhaber von Böhm & Sohn in Augsburg, in seinem Musikfachgeschäft.
    Thomas Ballinger-Amtmann, Inhaber von Böhm & Sohn in Augsburg, in seinem Musikfachgeschäft. Foto: Foto: Ulrich Wagner

    Die Bestellung von „Weihnachtsliedern mit Zitterbegleitung“ war leicht zu erledigen. Auch bei der „Fährenmusik zur Weihnacht“ wusste Musikalienhändler Thomas Ballinger-Amtmann sofort, dass eigentlich die „Sphärenmusik“ gemeint ist und mit dem „Lied an die Herde“ Mahlers Hornvieh-freies „Lied von der Erde“.

    Ballinger-Amtmann, Inhaber des 1803 gegründeten Augsburger Musikverlages und Musikalienhandels Böhm & Sohn, hat im Geschäftsalltag öfter mit Stilblüten dieser Art zu tun: dem Wunsch nach den Noten von „Welsche Wonne, welsche Lust“ aus der „Bohäm“ von „Putschini“ zum Beispiel. Aber auch Bachs „Orchestersweet“ oder Beethovens „Sonnenscheinsonate“ wurden in seinen privaten Ordner „K“ für „Kurioses“ aufgenommen.

    Wenn der Kunde Stücke pfeift oder vorsingt

    Wenn Musikstücke gesucht werden, die der Kunde vorsingt, vorpfeift oder ausschnittweise im Handy gespeichert hat, wird es für den Musikalienfachhändler schwierig. Zur Identifizierung braucht es breite „Musikbildung“. Neben einer guten Spürnase ist Instrumentenkunde gefragt, Kenntnisse in Notenlesen, über Interpreten, Komponisten, Stile, Musikgeschichte, Urheberrecht sowie Kompetenz bei der Beratung – egal ob der Kunde nun Profi oder Laie ist.

    Der Musikfachhändler bietet Instrumente an, Noten und Tonträger, arbeitet im Verlag, im Großhandel und Fachgeschäften, in Kaufhäusern oder Onlineshops, in der Veranstaltungsbranche oder beim Instrumentenbauer. Für Thomas Ballinger-Amtmann ist der Musikfachhändler wegen seiner Vielseitigkeit einer der anspruchsvollsten Berufe überhaupt – der allerdings immer weniger gefragt ist: 1977 seien es noch über 100 Anwärter auf die Abschlussprüfung gewesen, heuer nur vier.

    Der steigende passive Musikkonsum, das Internet, Preisdumping, Billiginstrumente und illegales Kopieren machen der Branche zu schaffen – gerade den kleineren Fachgeschäften, die in Städten wie Augsburg überwiegend mit jeweiligem Sortimentsschwerpunkt vertreten sind. Laut Bundesverband Musikindustrie lag der Umsatzanteil der via Internet vertriebenen Musikprodukte im Jahr 2010 bei 35 Prozent – und damit fünf Prozent höher als 2009.

    Der Umsatz des stationären Handels dagegen sank von 2001 bis 2010 von 81 auf 58 Prozent, darunter der des „Medienfacheinzelhandels“ sogar von 9,6 auf 2,4 Prozent. Dabei „schneidet sich der Kunde ins eigene Fleisch“, betont Thomas Ballinger-Amtmann: Würden Noten weniger gekauft und stattdessen kopiert oder runtergeladen, könne der Fachhandel weniger verlegen – und das Angebot für den Kunden werde schmäler.

    Vor Ort erwarte die Kunden außerdem Beratung, Recherche, Informationen und der Zugriff auf Spezialkataloge, argumentiert Ballinger-Amtmann.

    Christine Berger, Inhaberin des Augsburger Musikhofs, sieht im Internetgeschäft ebenfalls vor allem Verluste für die Kunden: „Qualität bekommt man nur durch Vergleich“, sagt sie – durch Befühlen, Anschauen, Ausprobieren. Diese Möglichkeit gehe im virtuellen Handel verloren.

    „Instrumentenkauf ist Vertrauenssache“, betont Berger, die ihre Lehrzeit bei Musik Durner am Rathausplatz absolvierte. Das Geschäft schloss vor über zehn Jahren – unter anderem wegen der schwierigen Geschäftslage.

    Mit einer Online-Musikbörse in die Zukunft

    1988 gründete Christine Berger mit ihrem Mann Harald den Musikhof, spezialisierte sich auf Holzblas- und Saiteninstrumente, Orff-Schulwerk und Noten. Manche ihrer Kunden kennt sie seit der Kindheit.„Unser Job ist es, den Markt zu beobachten.“ So richteten die Bergers eine Online-Internetbörse für Musikunterricht in und um Augsburg ein, unter Kultur-Finder.de außerdem ein überregionales Netzwerk für Musiker und Musikinteressierte.

    Manchmal aber sträuben sich auch die Bergers gegen Trends. Billiginstrumente zum Beispiel kommen ihnen nicht ins Haus: „Das schadet den Kindern, denn oft lassen sich diese Instrumente nicht stimmen oder verbilden das Gehör.“ Stattdessen bietet der Musikhof Leihinstrumente und Mietkauf.

    Bei Noten und Tonträgern sei das Herunterladen seit Jahren ein Problem. „Wen es wirklich trifft, sind der Komponist und Verlag“, sagt Christine Berger: „Wir Händler haben andere Möglichkeiten.“ Doch verstehen kann sie nicht, dass manch einer lieber aus minderwertigen Kopien spielt statt aus einem guten Druck. Dem stimmt Ballinger-Amtmann zu.

    Inzwischen ist auch sein Verlagskatalog online zu haben, manches davon sogar als Probepartitur zum Downloaden.

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