Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Hintergrund: SPD: Widerstand gegen Blockadepolitik von Martin Schulz wächst

Hintergrund

SPD: Widerstand gegen Blockadepolitik von Martin Schulz wächst

    • |
    In der SPD gibt es Widerstand gegen die Haltung von Parteichef Martin Schulz.
    In der SPD gibt es Widerstand gegen die Haltung von Parteichef Martin Schulz. Foto: Michael Kappeler, dpa (Archiv)

    Berlin Ist die SPD vielleicht doch für eine Neuauflage der Großen Koalition zu haben? Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche über ein Jamaika-Bündnis wächst der Druck auf die Sozialdemokraten, ihre noch am Wahlabend erfolgte kategorische Absage an CDU und CSU zu überdenken. Am Donnerstag will sich Parteichef Martin Schulz mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen, um über die festgefahrene Lage zu sprechen. Steinmeier appelliert an alle Parteien, die für eine Regierungskoalition infrage kommen, sich ihrer Verantwortung nicht zu entziehen.

    Martin Schulz hatte sein entschiedenes Nein zu Gesprächen über eine mögliche neue alte schwarz-rote Koalition zuletzt bei jeder Gelegenheit wiederholt. Die SPD scheue Neuwahlen nicht und sehe sich dafür inhaltlich und personell gut gerüstet. Das habe nach dem Aus der Jamaika-Sondierungen auch der Parteivorstand so beschlossen. Doch für diese Haltung gerät Schulz auch in der eigenen Partei zunehmend in die Kritik.

    In einer turbulenten Fraktionssitzung am Montagabend musste sich Schulz nach Angaben von Teilnehmern besorgten Fragen stellen. Vor allem, so zeigte sich, halten viele Abgeordnete Neuwahlen keineswegs für die richtige Strategie. Die Furcht geht um, dass die Sozialdemokraten dabei sogar noch schlechter abschneiden könnten als am 24. September, als die SPD mit 20,5 Prozent der Stimmen ihr niedrigstes Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren hatte. Mancher frisch gewählte Abgeordnete würde dann womöglich seinen Platz im Bundestag gleich wieder räumen müssen.

    Neuwahlen seien ein unkalkulierbares Risiko, glauben viele, und für die SPD keinesfalls ein Selbstläufer. Die Frage, mit welcher Machtoption die SPD denn antreten solle, wenn sie eine Große Koalition jetzt schon ausschließe, treibt die Abgeordneten ebenso um wie die nach dem Kanzlerkandidaten. Noch einmal Martin Schulz? Das können sich die wenigsten Genossen vorstellen.

    Martin Schulz will keine Große Koalition - und stößt in der SPD auf Widerstand

    Inzwischen sind zumindest beim Thema Neuwahlen auch führende Parteimitglieder deutlich auf Distanz zu ihrem Chef gegangen. Fraktionschefin Andrea Nahles und SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel etwa brachten auch eine Minderheitsregierung in die Diskussion. Die bayerische Landeschefin Natascha Kohnen mahnte, die SPD dürfe sich den von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geforderten Gesprächen über eine Regierungsbildung nicht verschließen. Keine Partei dürfe dies, das gelte auch für die FDP mit ihrem Chef Christian Lindner, die „noch einmal in sich gehen“ müssten. Ein Gesprächsangebot an die SPD müsse laut Kohnen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ausgehen.

    Noch gibt es keinen aus der allerersten Reihe der Sozialdemokratie, der offen für Verhandlungen über eine Große Koalition eintritt. Doch in großen Teilen der Partei ist eine Weiterführung der schwarz-roten Regierung, die ja noch immer die Geschäfte führt und rechnerisch auch aktuell eine Mehrheit im Bundestag hat, längst kein Tabu mehr. Dafür sprechen sich etwa die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt oder Johannes Kahrs, der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises, aus. Wie sie wünschen sich immer mehr Abgeordnete von Parteichef Schulz ein Umdenken. Karl-Heinz Brunner (Neu-Ulm) sagt gegenüber unserer Zeitung: „Jetzt ist die Stunde der Demokraten. Und Demokraten müssen in der Lage sein, miteinander zu reden.“

    Gesprächen mit der Union über eine mögliche Große Koalition dürfe sich die SPD nicht verweigern. Auch er habe nach der Wahl den Gang in die Opposition für richtig gehalten. Doch die Situation habe sich nach dem Jamaika-Aus grundlegend geändert. Jetzt stehe nicht das „Wer mit wem“ im Vordergrund, es müsse um Inhalte gehen. „Können wir die Bürgerversicherung umsetzen, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit oder eine vernünftige Pflegereform“– das müsse sich die Partei nun fragen, so Brunner. Wenn es bei wichtigen Themen eine Übereinstimmung gebe, werde die Parteibasis auch ein neues Bündnis mit der Union akzeptieren.

    Ulrike Bahr, Abgeordnete aus Augsburg, sieht die SPD zwar nicht in der Pflicht. „Schließlich haben es Union, FDP und Grüne verbockt.“ Dennoch müsse die Partei sich den Appell des Bundespräsidenten zu Herzen nehmen und „alle Optionen prüfen“.

    Es gärt also gewaltig in der SPD, die in gut zwei Wochen beim Parteitag in Berlin die Weichen für ihre Zukunft stellen will. Martin Schulz, der wieder für den Parteivorsitz kandidiert, scheint sich in eine strategische Sackgasse manövriert zu haben. Vielleicht, so hoffen nicht wenige Genossen, zeigt ihm Bundespräsident Steinmeier ja einen möglichen Ausweg auf. Der am Ende dann doch wieder zu einer Bundesregierung mit SPD-Beteiligung führt.

    Neuigkeiten zu der Lage nach dem Jamaika-Aus lesen Sie auch hier in unserem News-Blog zur Bundestagswahl.

    Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Umfrageinstitut Civey zusammen. Was es mit den Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden