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Augsburg: Junge Flüchtlinge beschäftigen die Justiz

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Junge Flüchtlinge beschäftigen die Justiz

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    Eine Schlägerei zeigt, wie schwierig die Ermittlungen sein können, wenn verschiedene Nationalitäten aneinander geraten. Symbolfoto: Alexander Kaya
    Eine Schlägerei zeigt, wie schwierig die Ermittlungen sein können, wenn verschiedene Nationalitäten aneinander geraten. Symbolfoto: Alexander Kaya

    Das Geschehen liegt über ein Jahr zurück. Fakt ist, dass es im August 2014 zu einer Schlägerei im Annahof in der Innenstadt kommt. Junge Flüchtlinge aus Afghanistan sind darin verwickelt, zudem einige türkischstämmige Jugendliche. Die Kontrahenten sind hinterher gezeichnet durch Schürfwunden, Prellungen und blaue Flecke. Der Rest wirft allerdings Fragen auf: Was war der Grund für den Streit? Von wem ging die Gewalt aus? Und sind nun, gut ein Jahr später, überhaupt die richtigen Jugendlichen angeklagt?

    Der Fall ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es für die Polizei ist, Auseinandersetzungen unter verschiedenen Nationalitäten aufzuklären. Alleine die Sprachhürden sind schon ein Problem. Dazu kommt die Sorge von Flüchtlingen, mit der Polizei zu sprechen – auch wegen der Sorge, wegen eines möglichen Verfahrens, das Aufenthaltsrecht zu verlieren. Experten gehen davon aus, dass durch den aktuellen Zustrom von Flüchtlingen einiges an Arbeit auf Polizei und Justiz zukommen wird.

    Der Augsburger Hauptkommissar Hans Wengenmeir sagt: „Wenn, wie derzeit, viele Menschen zu uns kommen, muss man davon ausgehen, dass ein Teil von ihnen auch Straftaten begehen wird. Das ist ganz normal.“ Wengenmeir ist Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Unter den Asylbewerbern sind zudem viele junge Männer – und sie neigen, unabhängig von Herkunft und Nationalität, eher zu strafbarem Verhalten als ältere Menschen. Auch Erwin Schletterer, der Geschäftsführer des Vereins Brücke, rechnet mit einer steigenden Zahl von jungen Asylbewerbern, die Ärger mit der Justiz bekommen. Der Verein Brücke kümmert sich seit 30 Jahren in Augsburg um junge Straftäter.

    Erfahrungen aus den 90ern

    Erwin Schletterer hat in den 1990er Jahren erlebt, wie sich der Verein verstärkt um junge Kriegsflüchtlinge vom Balkan und Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion kümmern musste. Sie hatten teils Probleme, sich zu integrieren. Sprachhürden und fehlende Perspektiven seien damals wie heute Risikofaktoren, sagt er. Doch das Beispiel aus den 1990er Jahren zeige auch, dass solche Phänomene mit der Zeit wieder verschwinden. Damals stellte sich auch die Polizei auf die Aussiedler ein, die Beamten lernten teils sogar russisch.

    Die Themen von damals seien längst nicht mehr aktuell, sagt Erwin Schletterer. Bei Brücke und Amtsgericht überlegt man derzeit, wie man mit jungen Flüchtlingen umgehen soll, die vor Gericht stehen. Normalerweise ordnen die Jugendrichter oft Gespräche mit einem Sozialpädagogen oder Gruppensitzungen an. Aufgrund der Sprachprobleme sind diese Sitzungen aber nur bedingt geeignet. Bei der Brücke denkt man deshalb über spezielle Angebote nach.

    Im Fall der Schlägerei im Annahof sitzen zunächst zwei junge Afghanen, 20 und 25 Jahre alt, auf der Anklagebank des Amtsgerichts. Ihnen wird vorgeworfen, ihre türkischen Kontrahenten mit Faustschlägen, Tritten und einem Gürtel traktiert zu haben. Die Anklage lautet deshalb auf gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Werden sie verurteilt, dann droht ihnen Gefängnis – und womöglich Abschiebung. Einer der beiden soll betrunken gewesen sein und sich während der Schlägerei das T-Shirt ausgezogen haben.

    Wer war vor Ort?

    Doch schnell stellt sich heraus, dass einer der Angeklagten, verteidigt von Anwalt Moritz Bode, gar nicht im Annahof anwesend war. Er wurde offenbar verwechselt mit einem anderen Afghanen, der zur Tatzeit anwesend war und ähnlich aussieht. Einer der türkischen Jugendlichen, der als Zeuge aussagt, klärt die Verwechslung im Gerichtssaal auf. Er habe sich getäuscht, als er bei der Polizei den Täter benannt habe, sagt er. Der andere Angeklagte (Verteidiger: Werner Ruisinger) bestreitet, übersetzt von einem Dolmetscher, dass von ihm die Aggression ausgegangen sei. Richter Bernhard Kugler unterbricht kurz darauf den Prozess. Die Polizei muss in dem Fall erneut ermitteln. Danach soll es einen neuen Termin vor Gericht geben.

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