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Augsburg: Insolvenz bei Weltbild: Kirche streicht zugesagte Gelder

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Insolvenz bei Weltbild: Kirche streicht zugesagte Gelder

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    Weltbild hat Insolvenz beantragt. Tausende Jobs sind in Gefahr. Die Angestellten sind schockiert, Die Gewerkschaft Ver.di ist ist sauer auf die Kirche. Betroffen zeigte sich Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl. Er lud alle Beteiligten zu Gesprächen ein. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sicherte den betroffenen Mitarbeitern Unterstützung zu. "Wir als Staatsregierung werden alles, was sich an wirksamen Möglichkeiten eröffnet, unterstützen", sagte Seehofer in München der Nachrichtenagentur dpa. "Niemand der 2200 in Augsburg betroffenen Mitarbeiter wird alleine gelassen."

    Notwendige Finanzierung für Weltbild gescheitert

    In der Pressemitteilung des Unternehmens hieß es am Freitagnachmittag: "Die Geschäftsführer haben heute beim Amtsgericht Augsburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für die Verlagsgruppe Weltbild GmbH beantragt." Das Augsburger Amtsgericht bestätigte den Eingang des Antrages.

    Ein wesentlicher Auslöser für diesen Schritt sei laut der Weltbild-Pressemitteilung der Umsatzrückgang in den Monaten Juli bis Dezember 2013 gewesen. Weil man auch für die nächsten drei Jahre ein geringeres Umsatzniveau erwarte, habe sich der Finanzierungsbedarf verdoppelt. Am Donnerstag habe sich entgegen der Erwartung der Geschäftsführung herausgestellt, dass die notwendige Finanzierung nicht zur Verfügung stehen wird. Deshalb sei es zum Bedauern der Geschäftsführung unausweichlich gewesen, einen Insolvenzantrag zu stellen.

    Gürlebeck von Ver.di: "Widerlicher geht es eigentlich nicht"

    Gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der Augsburger Ver.di-Sekretär Thomas Gürlebeck, dass die an Weltbild beteiligten deutschen Bistümer ihre Kapitalzusagen in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro zurückgezogen hätten. Dies sei trotz der Zustimmung der Banken zum Sanierungsplan erfolgt.

    Der Niedergang von Weltbild

    Mit Pornoliteratur fing vor knapp zweieinhalb Jahren der Niedergang des Weltbild-Verlages an.

    Dass ausgerechnet ein von der katholischen Kirche getragenes Medienunternehmen Geld mit Erotikangeboten oder Esoterikbüchern macht, sorgte für Schlagzeilen und stürzte die Augsburger Verlagsgruppe in die Krise.

    Seitdem hat sich Weltbild nicht mehr erholt. Der Insolvenzantrag ist der vorläufige traurige Höhepunkt der Entwicklung bei dem Konzern mit mehr als 6000 Beschäftigten und etwa eineinhalb Milliarden Euro Umsatz.

    Als im Oktober 2011 das Erotikangebot bei Weltbild bekannt wurde, trat zunächst der von der Kirche entsandte Aufsichtsratsvorsitzende zurück. Dann preschte der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor und verlangte eine Trennung von Weltbild.

    Seitdem wurde breit darüber diskutiert, wie sich die Diözesen von Weltbild trennen können. Eine Stiftung war im Gespräch, eine Lösung gab es nicht. Die Beschäftigten appellierten dabei immer wieder an die soziale Verantwortung der Bischöfe.

    Doch nicht nur der Wirbel um Buchtitel wie "Zur Sünde verführt" oder "Das neue Kamasutra" setzte dem Unternehmen zu. Im Wettbewerb mit Online-Gigant Amazon hatten es die Augsburger zunehmend schwer mit ihrem eher klassischen Katalog-Versandhandel.

    Seinen stationären Buchhandel hatte Weltbild im Jahr 2007 mit der Familie Hugendubel zusammengelegt. Das damals gegründete Gemeinschaftsunternehmen betreibt seitdem die Filialen unter etlichen Markennamen wie "Hugendubel", "Weltbild plus", "Jokers" sowie die Karstadt-Buchabteilungen.

    Dass die angeschlagene Verlagsgruppe zuletzt ihre zweiköpfige Geschäftsführung extra um den Sanierungsexperten Josef Schultheis erweiterte, konnte Weltbild nicht mehr retten. Er sollte den Umbau des Hauses in Richtung digitalem Handel beschleunigen.

    Möglicherweise kam dieser Schritt zu spät: Obwohl Weltbild im Weihnachtsgeschäft sogar etwas über dem Plan lag, musste das Unternehmen im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres (30. Juni) Einbußen bei Umsatz und Ergebnis verbuchen.

    "Das auch für die nächsten drei Jahre erwartete geringere Umsatzniveau verdoppelt den Finanzierungsbedarf bis zur Sanierung", begründete das Unternehmen den Insolvenzantrag.

    Die Gewerkschaft Verdi warf der Kirche umgehend vor, sich aus der Verantwortung zu stehlen.

    Erst im Oktober wurde bekannt, dass Weltbild in Augsburg ihren Kundendienst auslagern will - 140 Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch weitere konkrete Zahlen und detaillierte Planungen zur Sanierung waren seit jeher von Weltbild kaum zu erfahren. Denn was Transparenz anging, operierte das Unternehmen ähnlich verschwiegen wie der große Konkurrent Amazon.

    "Jahrelang fette Gewinne abschöpfen und sich so die Prunkbauten mitfinanzieren lassen und dann, wenn die Belegschaft Hilfe braucht, zugesagte Gelder wieder streichen. Widerlicher geht es eigentlich nicht," sagte Thomas Gürlebeck. Die Kirche praktiziere Kapitalismus in Reinkultur. Verdi werde sich diese Politik nicht bieten lassen. "Wir werden es nicht zulassen, dass die Bischöfe sich so aus der Verantwortung stehlen," so Gürlebeck.  Betriebsratschef Peter Fitz sagte: "Unser Unternehmen ist zukunftsfähig, davon waren wir immer überzeugt und sind es immer noch". Gemeinsam mit der Gewerkschaft werde man um die Arbeitsplätze im Unternehmen kämpfen.

    Kirche verteidigt ihre Haltung

    Die katholische Kirche hat ihre Weigerung für weitere Finanzspitzen für die Verlagsgruppe Weltbild verteidigt. Die Bemühungen, das Unternehmen wieder zum Erfolg zu führen, seien leider fehlgeschlagen, teilte der Generalvikar des Erzbistums München, Peter Beer, am Freitag in München mit. Beer ist Aufsichtsratschef bei Weltbild. Das Unternehmen gehört zwölf Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    In den kommenden drei Jahre hätten bis zu 160 Millionen Euro zusätzlich aufgebracht werden müssen, um die Sanierung umzusetzen. Zudem müsse für die Entschuldung ein weiterer dreistelliger Millionenbetrag angesetzt werden. "Ein derart hoher finanzieller Aufwand kann zumal angesichts verbleibender erheblicher Unsicherheiten hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Unternehmens von den Gesellschaftern nicht verantwortet werden."

    Die Gesellschafter bedauerten diese Entwicklung sehr. "Die Gesellschafter stehen in dieser schwierigen Situation zu ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", sagte Beer. Man werde Mittel zur Abfederung sozialer Härten bereitstellen.

    Augsburger Bischof Zdarsa zeigt sich betroffen

    Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa hat mit Betroffenheit auf die Insolvenz des katholischen Weltbild-Verlags reagiert. "Es ist eine herbe Enttäuschung, dass die intensiven Bemühungen um ein Sanierungskonzept letztlich nicht aussichtsreich waren", erklärte Zdarsa nach Angaben des Ordinariats vom Freitagabend. Der Bischof habe sich noch im Herbst in Gesprächen im Gesellschafterkreis "persönlich für die Sicherung eines Zukunftskonzepts für die Verlagsgruppe eingesetzt", hieß es weiter in der Mitteilung.

    "Ich bin in Gedanken bei den Weltbild-Mitarbeitern", sagte der Bischof. Auf deren Interessen konzentriere sich nun die Sorge der kirchlichen Gesellschafter. Die Diözese Augsburg werde "gemeinsame Hilfsansätze solidarisch und auch materiell mittragen und zum gegebenen Zeitpunkt an anstehenden Gesprächen konstruktiv mitwirken".

    Insolvenzantrag betrifft ausschließlich Augsburg

    Der Geschäftsbetrieb soll laut Weltbild in Abstimmung mit dem vom Gericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter, dem Wirtschaftsprüfer Arndt Geiwitz von Schneider Geiwitz & Partner, fortgeführt werden. Die Kanzlei hatte unter anderem die Schlecker-Pleite verwaltet. Eine Prognose zu den Sanierungsaussichten will Geiwitz nach Angaben seines Sprechers noch nicht abgeben. Dafür sei es noch zu früh. "Mehrere Mitarbeiter der Kanzlei sind bereits bei dem Unternehmen eingetroffen und haben begonnen, Gespräche mit allen relevanten Gruppen zu führen", teilte der Sprecher weiter mit.

    Der Insolvenzantrag betrifft ausschließlich die Verlagsgruppe Weltbild GmbH in Augsburg, heißt es in der Pressemitteilung von Weltbild. Nicht betroffen seien alle Filialen sowie die Gesellschaften in Österreich, der Schweiz und bücher.de.

    Über 2000 Weltbild-Mitarbeiter in Augsburg

    Weltbild

    beschäftigt insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort

    Augsburg

    . Im September geriet Weltbild ins Wanken. Jahrelang war die kirchliche Verlagsgruppe mit Sitz in

    Augsburg

    gewachsen und gewachsen. Plötzlich hieß es in der

    Frankfurter Allgemeinen,

    der Fortbestand sei „akut bedroht“ und die Banken würden vorsichtig. Weltbild-Chef

    Carel Halff

    räumte damals eine „vorübergehende Verlustsituation“ ein.

    Digitaler Wandel setzte Weltbild zu

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    Der digitale Wandel setzte Weltbild - einem der größten Buchhändler Europas - zu. Immer mehr Leute kaufen Bücher im Internet, immer weniger über den Katalog oder in den Filialen. Weltbild musste investieren, in neue IT-Technik und in elektronische Bücher. Das Unternehmen brauchte frisches Kapital. Doch die 14 kirchlichen Eigentümer ließen den Verlag zittern und stritten über den Kurs.

    Im Oktober atmeten viele auf. Das Bistum Augsburg sagte bis zu 15 Millionen Euro zu. Schritt für Schritt zogen andere Diözesen nach. Ende Oktober erklärte Weltbild-Chef Halff im Interview mit unserer Zeitung, die Liquidität sei ausreichend, er rechne Anfang 2014 mit einer soliden Finanzierung. Indes gaben immer mehr Bistümer bekannt, dass ihre Hilfe die letzte sein wird: Sie werden bei Weltbild aussteigen. Darunter die Heimatdiözese Augsburg. (mit dpa)

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