Prozesse vor deutschen Gerichten sind mit wenigen Ausnahmen öffentlich. Ein Urteil am Ende wird stets „im Namen des Volkes“ verkündet. Was jedoch nicht ausschließt, dass Gerichtsverfahren für juristische Laien schwer verständlich, ja mitunter rätselhaft sein können. So geschehen dieser Tage in einem Prozess vor Amtsrichter Ralf Hirmer. Ein des schweren Betrugs angeklagter Augsburger, zuletzt in Bolivien lebend, hatte großes Glück. Trotz einschlägiger Vorstrafen – zehn an der Zahl – kam der 47-Jährige erneut mit einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten davon. Notorische Schwarzfahrer in Bus und Tram werden in Augsburg erheblich härter bestraft.
Die Verhandlung vor dem Schöffengericht dauert keine halbe Stunde. Zeugen sind nicht geladen. Und nach Verlesen der Anklage verständigen sich Verteidiger, Staatsanwalt und Gericht auf einen „Deal“. Als Preis für ein Geständnis handelt Rechtsanwalt Ralf Schönauer für seinen Mandanten aus, dass vier der fünf Anklagepunkte fallen gelassen werden. Das Geständnis beschränkt sich danach auf einen einzigen, vom Verteidiger vorgetragenen Satz: „Mein Mandant räumt den ihm zur Last gelegten Vorwurf zu Punkt eins der Anklage ein.“ Und auf die Frage des Richters, ob das richtig sei, hört man vom bis dahin stumm gebliebenen Angeklagten ein „Ja“. Er bleibt während der Verhandlung einsilbig, bis er nach den Plädoyers noch einen Satz hinterherschickt: „Ich schließe mich den Worten meines Verteidigers an.“
Dabei hätte der 47-Jährige Interessantes zu erzählen gewusst. Wie er in der bolivianischen Millionenstadt Santa Cruz am helllichten Tag auf der Straße festgenommen wurde. Über seine Abschiebung nach Peru, wo ihn die dortigen Behörden, begleitet von deutschen Ermittlern, in ein Flugzeug setzen, das ihn nach Amsterdam fliegt. Nach den Niederlanden, wo er mehrere Wochen in Auslieferungshaft sitzt, landet er über Zwischenstationen in deutschen Haftanstalten im Dezember 2014 in Augsburg. Doch schon am 7. Januar ist er gegen Auflagen wieder ein freier Mann.
Mit Geld der Verwandtschaft nach Südamerika
Gerne hätte man auch Näheres zu der von Staatsanwalt Christoph Limmer verlesenen Anklage erfahren. Demnach hatte sich der 47-jährige Augsburger im November 2009 nach Südamerika abgesetzt. Seiner damals frisch angetrauten Ehefrau soll er dabei auf einem Küchenzettel die Notiz hinterlassen haben: Ich bin weg. Davor hatte der 47-Jährige seiner Verwandtschaft einiges Geld entlockt. Als sie verlobt waren, hatte ihm seine spätere Frau 68000 Euro anvertraut. Nur deswegen wurde er verurteilt. Dass die neue Schwiegermutter den Betrag um weitere 15000 Euro aufstockte, spielte vor Gericht keine Rolle mehr.
Der Bräutigam hatte beiden Frauen vorgegaukelt, seine verstorbene Mutter habe ihm ein Erbe von vier Millionen Euro hinterlassen. In der Annahme, der Millionär bekomme von seiner Bank weitaus höhere Zinsen als sie, vertrauten Tochter und Mutter ihm ihre Ersparnisse an. Geld, das sie nie mehr wieder sahen, ebenso wenig wie ein Schwager. Er sei gerade klamm, weil seine Millionen fest angelegt seien, soll der 47-Jährige diesen angelogen haben – worauf der ihm 60000 Euro lieh.
Als die Rückzahlung auf sich warten ließ, erstattete der Geschädigte Strafanzeige. Der Beschuldigte erschien daraufhin selbst bei der Kriminalpolizei in der Gögginger Straße. Dem Sachbearbeiter legte er zwei gefälschte Quittungen vor, welche die Rückgabe des Geldes belegen sollten. Die Unterschriften des Schwagers waren tatsächlich echt. Er hatte sie blanko für andere Zwecke ausgestellt.
47-Jähriger behauptete Mörder von Maria Bögerl zu kennen
Im November 2009 setzte sich der Beschuldigte, bis dahin als Sozialarbeiter tätig, nach Südamerika ab, heiratete wieder. In der Fußgängerzone hatte er zuvor in einem Handy-Laden einen Kaufvertrag für 20 Smartphones und 20 Laptops unterschrieben. Mit den ihm ausgehändigten Geräten verschwand er und nahm auch 5000 Euro Bargeld mit. Geld, das ihm der Verkäufer, froh über den lukrativen Geschäftsabschluss, von seiner Abschlussprovision ausgezahlt hatte.
Für die Augsburger Kripo stand schon früh fest, dass der 47-Jährige ein „notorischer Betrüger“ ist. Bestärkt durch ein Interview, das dieser der Bild-Zeitung gab. Darin hatteer behauptet, die Täter zu kennen, die im Mai 2010 die Heidenheimer Bankiersgattin Maria Bögerl entführt und ermordet haben. Für Hinweise, die zu ihrer Festnahme führen, verlangte er im Gegenzug Strafrabatt für sein Verfahren. Die Augsburger Staatsanwaltschaft erklärte damals, dabei nicht mitzumachen. Dennoch wurde der Augsburger zwei Mal von Ermittlern aus Baden-Württemberg vernommen. Angeblich ohne handfeste Ergebnisse.