Eine musikalische Rarität
Franz Liszt suchte in „Via crucis“ nach neuen Ausdrucksformen. Jetzt war das Werk in Oberschönenfeld zu hören
Es gibt den jeder sinnlichen Lust zugetanen Klaviervirtuosen und den asketisch-religiösen Franz Liszt. Er nahm als „Abbé Liszt“ sogar die niedrigen geistlichen Weihen an. Und er war für die Neuerungen der musikalischen Sprache mehr als aufgeschlossen. In seinen religiösen Werken offenbart sich beides: reduzierte, geradezu minimalistische Form in Verbindung mit zukunftsweisenden harmonischen Mitteln. In der restlos gefüllten Abteikirche Oberschönenfeld führte das Vokalensemble Cantio Augusta unter Ferdinand Reithmeyr seinen „Kreuzweg/Via crucis“ für Soli, Chor und Orgel als Rarität auf. Er folgt den 14 Stationen des Kreuzwegs, so wie sie seit dem 17. Jahrhundert in den Kirchen und Passionswegen bildlich – Relief, Malerei – dargestellt sind. In der bizarren Mischung der Textgenres in Verbindung mit einer expressiven Tonsprache ergibt sich ein sakrales Kunstwerk, das sich zwischen Bach-Tradition, romantischer Raumerweiterung und der Suche nach neuen Ausdrucksformen bewegt.
Nach dem Kreuz-Hymnus „Vexilla regis prodeunt“ entwickelt Liszt seine „Via crucis“ auf unorthodoxe Weise. Mehrfach erklingen das „Stabat mater“, lateinische Berichte der Evangelisten, sogar Paul Gerhardts protestantischer Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“. Revolutionär ist die Einbindung der Orgel als Instrumentalpartner von Chor und Solisten. Von Heinz Dannenbauer mit präziser Klarheit dargestellt, ist die Polyphonie zurückgestellt zugunsten fast linearer Kargheit, die jedoch durch expressive Wendungen mit an die Grenzen der Tonalität gehenden harmonischen Verläufen. Mehrere Stationen sind der Orgel solistisch anvertraut. Kernpunkt des Kreuzwegs ist dreimal der Fall „Jesus cadit“, den Sopran und Alt (hervorragend Susanne Rieger und Sabine Fackler) mit der Schmerzensmutter-Sequenz „Stabat mater“ beantworten – hier wiederum umschmeichelt vor allem eine pastos nazarenerhafte weiche Klangsprache. Bariton Thomas Krätzig formte ausdrucksstark die anspruchsvollen Partien von der Verurteilung bis zum Tod am Kreuz („Eli, eli, lamma“). Wie der Chor die ungemein heiklen Harmonien und Intervallsprünge realisierte, ist aller Ehren wert. Orgel- und Vokalwerke von Brahms, Mendelssohn und Bach hatten das Konzert eingeleitet; die Meditationen von Domkapitular Franz-Reinhard Daffner vertieften das Ereignis.
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