Das letzte kriegerische Grollen der Pauke, die letzten Akkorde des „Agnus dei“ – eine ungewöhnlich lange Stille, dann endlich begeistert losbrechender Beifall in der voll besetzten Herz-Jesu-Kirche. Diese Momente machten auf intensive Weise erlebbar, was Musiker und Hörer in den vorausgegangenen anderthalb Stunden zu einer außerordentlichen „Erlebnisgemeinschaft“ zusammengeschweißt hatte: die Aufführung einer der großartigsten kulturellen Schöpfungen der Menschheit, von Beethovens „Missa solemnis“. Jeder, der dabei war, wird bestätigen, dass mit solcher Wortwahl nichts überhöht wird. Es ist gerade die grenzüberschreitende humanitäre Gemeinschaft, die Beethoven, wie in der 9. Sinfonie, vorgeschwebt haben mag, als er den zentralen Text katholischer Sakralpraxis aus dem liturgischen Rahmen löste und ihn musikalisch so interpretierte, dass er für jeden Menschen mit „offenem Herzen“ zum Medium religiösen Fühlens und Sehnens werden konnte. „Von Herzen – möge es wieder zu Herzen gehen“, schrieb er auf das Manuskript.
Augsburg