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Das Millionen-Geschäft mit Bayerngas
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Wenn Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl im Aufsichtsrat von Bayerngas in der Münchner Poccistraße aufkreuzte, gab es schon mal dicke Luft. Neue Kredite für die Erkundung weiterer Öl- und Gasfelder in der Nordsee? Der Augsburger war dagegen. Auch eine geplante Erhöhung des Eigenkapitals gefiel ihm wegen der Risiken des internationalen Energiegeschäfts nicht.
Das ist die Vorgeschichte zu einem Millionen-Deal, den die Stadtwerke Augsburg mit Bayerngas planen. Denn der kommunale Augsburger Versorger ist mit 27,49 Prozent an dem Verbund beteiligt (siehe Grafik). 12,49 Prozent davon wollen die Augsburger nun verkaufen, für etwa 58 Millionen Euro - wenn der Stadtrat am 27. Januar zustimmt.
Zurück in die Bayerngas-Zentrale. Dort betreibt Aufsichtsratschef Kurt Mühlhäuser seine ehrgeizigen Pläne. Mühlhäuser ist auch Geschäftsführer der Stadtwerke München, mit 44 Prozent größter Gesellschafter der Bayerngas und dank einer 25-Prozent-Beteiligung am Atomkraftwerk Isar II außerordentlich finanzstark.
Unter der Führung der Münchner will Bayerngas vor der norwegischen Küste richtig Gas geben. Ziel ist es, die Abhängigkeit von russischer Energie zu verringern und Versorgungssicherheit herzustellen.
Zahlreiche Öl- und Gasfelder werden erkundet, schon eine Milliarde Euro aus Bayern sind investiert worden. Darunter ist auch Augsburger Geld, das den Stadtwerken in den vergangenen Jahren nicht als Gewinn ausgeschüttet wurde, sondern in die Rücklagen wanderte. Für neue Bohrungen braucht Bayerngas in den kommenden Monaten neue Groß-Kredite. Ab Mitte dieses Jahrzehnts, wenn viele Quellen gleichzeitig Energie liefern, sollen auch die Gewinne sprudeln.
Wenn. Denn die Erkundung von Energiefeldern ist ein riskantes Geschäft mit Fehlschlag-Potenzial. Der norwegische Staat beteiligt sich zwar mit 78 Prozent an den Kosten einer gescheiterten Exploration. Er kassiert im Erfolgsfall aber auch 78 Prozent der Gewinne.
Deshalb sind die Geschäfte auch im Münchner Stadtrat umstritten. Die SPD als größte Fraktion unterstützt die Expansion. Anderen Parteien ist sie zu wagemutig. Die FDP-Fraktion warnt vor wirtschaftlichen Risiken, will "aus den Münchner Stadtwerken keinen Global Player machen" und forderte schon vor Monaten, das Energie-Engagement in der Nordsee zu reduzieren. Auch der Grünen-Stadtrat Florian Vogel warnte: "Nicht, dass wir irgendwann reinfallen wie der Freistaat bei der Bayern LB."
Das trifft die skeptische Haltung des Augsburger Oberbürgermeisters Kurt Gribl. Seine Argumente: "Die Explorationen sind chancenreiche, aber riskante Geschäfte, die wir zu wenig beeinflussen können." Der "gnadenlose Zwang zu einer weiteren Fremdkapitalaufnahme" sei für die Augsburger Stadtwerke nicht akzeptabel. Der CSU-Politiker: "Ich bin nicht bereit zu zocken." Deshalb will er die Augsburger Anteile an Bayerngas auf etwa 15 Prozent reduzieren. Dann wären die Augsburger Stadtwerke noch immer der zweitgrößte Gesellschafter - nach den Münchnern. Und würden weiter - wenn auch reduziert - von den Nordseegeschäften profitieren.
Der Zeitpunkt für den Verkauf scheint günstig. Bayerngas ist auch wegen des Expansionskurses so hoch bewertet wie nie zuvor. Mit 26,2 Millionen Euro stehen die zu verkaufenden 12,5 Prozent in den Stadtwerke-Büchern. 58 Millionen Euro wollen die Augsburger erlösen. Der Veräußerungsgewinn: mehr als 30 Millionen Euro. Dennoch wären die Münchner Partner gerne bereit, die abzugebenden Anteile zu übernehmen. "Bei uns knallen die Sektkorken, wenn die Augsburger verkaufen", glaubt ein Energie-Manager aus der Landeshauptstadt.
Gribl und Stadtwerkegeschäftsführer Claus Gebhardt wollen dagegen mit den zu erlösenden Millionen lieber Schulden abbauen und eigene Geschäfte betreiben. Dies sind Investitionen in erneuerbare Energien wie ein Wasserkraftwerk am Hochablass und zwei Windkraftanlagen.
Von seinen Managern hat Stadtwerke-Aufsichtsratschef Gribl schon vor Monaten eine Strategie eingefordert. Der Verkehrsbereich unter Norbert Walter, der zuletzt 40 Millionen Euro im Jahr Defizit einfuhr, soll effizienter werden und Kosten einsparen. Die Energiesparte unter Gebhardt hat die Aufgabe, eine Rendite von sechs bis acht Prozent zu erwirtschaften.
Die Geschäfte mit den Bayerngas-Millionen sollen angeblich sogar mehr Geld bringen als die erwarteten Erlöse aus den Nordsee-Beteiligungen. Etwa vier Millionen Euro pro Jahr - inklusive reduzierter Schuldzinsen. Das wäre auch nötig, liegt die Verschuldung der Stadtwerke doch bei 430 Millionen Euro. Und der Eigenanteil an der Mobilitätsdrehscheibe steht noch aus.
Die Augsburger Grünen unterstützen den neuen Kurs der Stadtwerke. "Aus unserer Sicht ist eine Reduzierung der Anteile sinnvoll", sagt Fraktionschef Reiner Erben.
Dagegen sieht die SPD die Kehrtwende kritisch. "Jahrelang hat man uns im Stadtwerke-Aufsichtsrat die Bayerngas-Expansion schmackhaft gemacht. Und jetzt plötzlich soll alles anders sein?", fragt Stadtratsfraktionschef Stefan Kiefer.
Die Augsburger SPD fühlt sich in die Überlegungen nicht hinreichend eingebunden. "Noch bei der Aufsichtsratssitzung im Dezember fiel kein Wort über den Verkauf. Vertrauen schafft das nicht", kritisiert Kiefer. Kein Wunder, dass die SPD sich jetzt gegen den Deal ausspricht und vergebene Chancen fürchtet.
Am 27. Januar entscheidet der Stadtrat. Eine Mehrheit für den Verkauf der Bayerngas-Anteile ist dank der Unterstützung von Gribls CSU, Koalitionspartner Pro Augsburg sowie den Grünen wahrscheinlich. Doch ob das die richtige Entscheidung ist, kann heute mit Gewissheit niemand sagen. Alles hängt vom Erfolg der Erkundungen ab.
Sollten die Quellen unter der Nordsee eines Tages gewinnbringend sprudeln, profitiert Augsburg nur reduziert. Dann wird es wieder dicke Luft geben - diesmal im Augsburger Stadtrat.
Setzt Bayerngas dagegen viele Millionen in den Nordsee-Sand, stehen die Strategen um OB Gribl und Energie-Manager Gebhardt mit ihrer vorsichtigen Geschäftspolitik und den eigenen Renditen glänzend da. Es ist keine leichte Entscheidung für die Augsburger Stadträte. * "Augsburg quo vadis?" Unter diesem Titel bietet die AZ ab jetzt umfangreiche Hintergrundberichte zu Entscheidungen, die für die Stadt wichtig sind.
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