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    Die fünfziger Jahre. Nach der Aufhebung des "off limits", das US-Soldaten das Betreten deutscher Gaststätten, Bars oder Hotels verbot, befindet sich auch die Gastronomie wieder im Aufschwung. Die Dollars der GI (offiziell mussten sie in DM tauschen) sind hoch willkommen. Nicht nur deutsches Bier ist bei den US-Boys gefragt. Auch auf die "deutschen Fräuleins" werfen sie ein Auge. Viele Liebesbeziehungen und Ehen sind die Folge. Und das "älteste Gewerbe der Welt" hat Hochkonjunktur. An Tagen, an denen die Soldaten ihren Sold bekommen, strömen Hunderte von Prostituierten aus ganz Südbayern nach Augsburg.

    Ein Aufsehen erregendes Verbrechen spielt sich in der Nacht zum 23. Februar 1954 im Dunstkreis der Prostitution ab. In einer Holzbaracke am nördlichen Stadtrand beim großen Schuttplatz erschießt ein zunächst Unbekannter zwei GIs und eine deutsche Frau, deren Freundin erschlägt er mit dem Gewehrkolben. Nur 24 Stunden später haben die amerikanischen Behörden den mutmaßlichen Vierfachmörder ermittelt - einen eifersüchtigen Soldaten.

    Die Jahre nach dem Krieg sind auch für Polizisten gefährlich. Aus nichtigem Grund müssen zwei Beamte ihr Leben lassen. In der Nacht zum 16. Januar 1955 rast ein 24 Jahre alter Metzgergehilfe auf der B 300 bei Diedorf auf zwei radelnde Streifenbeamte zu. Einer der beiden, ein 51 Jahre alter Polizist, wird tödlich verletzt. Das Motiv: Die Beamten hatten dem Betrunkenen kurz zuvor das Fahren untersagt. Wegen Totschlags wird der Täter zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt.

    Die sechziger Jahre. Es sind vor allem ältere Frauen und Prostituierte, aber auch Zufallsopfer, die erstochen, erschlagen, erwürgt, erdrosselt und verstümmelt werden. Im März 1963 beginnt die unheimliche Serie ungeklärter Frauenmorde im Raum Augsburg, die in diesem Jahrzehnt und auch Anfang der Siebziger Jahre die Schlagzeilen bestimmt - bundesweit. Mehr als ein Dutzend ungeklärter Gewaltverbrechen bringen die Beamten der Mordkommission an den Rand der Verzweiflung. Fast alle Morde haben eines gemeinsam: Die Tatorte liegen wie in einem Halbkreis im Westen der Stadt, in der Nähe amerikanischer Kasernen. Immer wieder gibt es Anhaltspunkte, dass die Täter im Kreis der GIs zu suchen sind, es gibt Festnahmen, aber nie Beweise, die zu einer Anklage führen. Zwei Gründe sind es, die aus heutiger Sicht die erfolglose Arbeit der Kripo erklären können: Einmal sind die Fahnder auf Gedeih und Verderb auf die Hilfe der amerikanischen Militärbehörden angewiesen. Denn die Zuständigkeit der deutschen Ermittler endet an den Kasernentoren. Ein zweites Manko ist die Spurensicherung in der damaligen Zeit. Es gibt noch keine DNA-Analyse, die Beamten tragen keine Schutzanzüge, die Tatorte sind mangelhaft abgesperrt.

    Die Kripo greift zu ungewöhnlichen Fahndungsmethoden, vergleicht Tatzeiten mit Mondphasen, weil sie glaubt, ein einziger Täter könnte mehrere Morde auf dem Gewissen haben. Immer wieder werden die Ermittler in die Irre geführt. Jahrelang jagen sie einen kleinwüchsigen Mann mit dem Aussehen von Quasimodo, des "Glöckners von Notre Dame". Der rätselhafte Zwerg bleibt ein Phantom.

    Die siebziger Jahre. Eine ungewöhnliche Häufung von Mordanschlägen auf Taxifahrer, Polizisten und einen Postbeamten erschüttern die Bevölkerung. In der Nacht zum 14. Juni 1970 wird der Taxifahrer Johann K. (33) in Göggingen mit einem Küchenmesser in seinem Wagen erstochen. Den Täter nimmt die Polizei wenig später in einer Gastwirtschaft in Pfersee fest. Eine 34-jährige Taxifahrerin wird im September 1976 mit einem Beil erschlagen. Sie hatte den Täter, der später in München festgenommen wurde, am Augsburger Hauptbahnhof in ihr Taxi steigen lassen. Geldgier ist auch das Motiv für einen Überfall auf einen Postbeamten im Herrenbach am 29. Dezember 1971: Der 23-jährige Erich W., später zu lebenslanger Haft verurteilt, schießt mit einem Revolver auf den Postler und verletzt ihn lebensgefährlich. Wochen später tötet er den Inhaber eines Großmarktes in Rain am Lech.

    Lähmendes Entsetzen löst der Mord an einem 31-jährigen Polizisten in der Nacht zum 6. März 1975 hinter der Autobahn-Raststätte Augsburg aus. Bei der Routinekontrolle eines unbeleuchtet abgestellten Autos eröffnet ein 19-Jähriger das Feuer auf die Polizisten. Im Kugelhagel bricht einer der Beamten tot zusammen. Stunden später werden der Todesschütze und sein Freund festgenommen. Beide hatten vor dem Polizistenmord den Wachposten einer Kaserne in Landsberg überfallen und Waffen geraubt.

    Die achtziger Jahre. Zwei Familientragödien erregen die Öffentlichkeit. Der Fall des "stummen" Juristen: Im September 1984 löscht ein 30 Jahre alter Regierungsrat in seinem Reihenhaus seine Familie aus: die gleichaltrige Frau und seine Kinder, ein dreijähriges Mädchen und einen 15 Monate alten Buben. Die Leichen werden Monate später verstreut in Norddeutschland entdeckt. Der Ehemann und Vater verschwindet spurlos. Erst am 18. Januar 1985 wird der Regierungsrat in Basel festgenommen. Der Jurist schweigt fortan eisern zu den Vorwürfen. Auch drei Schwurgerichtsprozesse, die sich bis 1989 hinzogen, können die Hintergründe und Motive für dieses unfassbare Familiendrama nicht klären. Der Jurist wird wegen dreifachen Totschlags zu zehn Jahren Haft verurteilt.

    Schier unfassbar ist auch der Fall des "verschwundenen Kindes". Sechs Jahre lang lebt ein Mädchen, eines von sieben Kindern einer Familie, nur in den Akten der Behörden. Immer wieder gelingt es den Eltern, Ämter und die Polizei hinter das Licht zu führen. Vater und Mutter kassieren über Jahre hinweg Kindergeld, erfinden Geschichten, mit denen sie das Fehlen ihrer Tochter erklären. Das wahre Schicksal des Mädchens ahnt niemand: Es ist tot, die Leiche verscharrt auf einer Kiesinsel im Lech. Im Mai 1983 nimmt die Kripo den Vater in die Mangel. Er gesteht, sein Kind im April 1977 im Alter von dreieinhalb Jahren getötet zu haben, weil ihn das Weinen des Mädchens genervt habe. Wochenlang gräbt die Bereitschaftspolizei eine Lechinsel um auf der Suche nach dem Grab. Vergeblich. Weil der Gebirgsfluss bei Hochwasser die Inseln verschiebt, werden die Überreste des Kindes nie mehr zu finden sein.

    Die neunziger Jahre. Es sind unbeschwerte Zeiten. Nach dem Fall der Mauer herrscht Aufbruchstimmung. In dieser Zeit treibt im Raum Augsburg eine brutale mörderische Bande ihr Unwesen, auf deren Konto zwölf schwere Verbrechen, darunter drei kaltblütige Morde sowie Erpressungen und Brandstiftung gehen: die sogenannte Disco-Mafia. Ihr Boss, der mit 21 Jahren begann, sich ein Imperium von Diskotheken und Bistros zusammenzukaufen, schreckt, um seine Geldgier zu befriedigen, vor nichts zurück. Als "Handlanger" hat er einen Iraker engagiert, der drei Menschen umbringt. Im März 1993 erdrosselt er einen Automatenaufsteller, dessen Leiche unter einer Betonschicht verbuddelt wird. Neun Monate später tötet er mit einem Kopfschuss einen Hähnchenbrater, der sein Grab ebenfalls in einem Sarg aus Beton findet. Erst das dritte Verbrechen deckt die Machenschaften der Disco-Mafia auf: Vor einem Lokal in Dasing wird ein 16 Jahre altes Mädchen erschossen - ein Zufallsopfer. Am 16. Dezember 1994 klicken die Handschellen bei sechs Bandenmitgliedern.

    Die Jahre 2000 bis 2009. Computer, Internet und Handy bestimmen den Alltag. Auch die Fahnder der Kripo profitieren vom Fortschritt. DNA-Analyse, Handy-Ortung und High-tech bei Spurensicherung und Gerichtsmedizin sind Helfer im Kampf gegen das Verbrechen. Zwei Kriminalfälle der letzten Jahre bezeugen dies. Der sogenannte "Giftmord", ein bizarres Drama um Liebe und Leidenschaft in einer kleinbürgerlichen Idylle, wäre das perfekte Verbrechen gewesen, hätte nicht ein Toxikologe Spuren eines Medikamenten-Cocktails im Blut des Opfers gefunden. Peter E. (45) war am 17. Januar 2007 von seiner Ehefrau Tanja E. (31) und ihrem Ex-Geliebten Andre H. (32) mit einer Infusion vergiftet worden.

    Ein gestohlenes Handy, das die Kripo ortet und überwacht, führt auf die Spur eines 17 Jahre alten Lehrlings, der in der Nacht zum 8. Dezember 2007 in Haunstetten die 18-jährige Nora - ein Zufallsopfer - vergewaltigt und erwürgt hat.

    Bei einem der schlimmsten Verbrechen in der Kriminalgeschichte wird am 22. März 2004 eine türkische Familie ausgelöscht. In einem Haus im Bärenkeller ersticht der 37-jährige Ali G. seine Ehefrau, deren Tochter (7) aus erster Ehe, die Großmutter (53), einen Onkel (25) und einen Bekannten (37). Er flüchtet in die Türkei, wo er sich in der Untersuchungshaft selbst richtet.

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