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Leitartikel: Beschlagnahme von Daten: "Der falsche Weg"

Leitartikel

Beschlagnahme von Daten: "Der falsche Weg"

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    Augsburgs Ordnungsreferent Volker Ullrich.
    Augsburgs Ordnungsreferent Volker Ullrich. Foto: Anne Wall

    Niemand muss sich von anderen Menschen beleidigen oder verunglimpfen lassen. Auch nicht im Internet. Dass in Blogs und Foren, zumal im Schutz der – scheinbaren – Anonymität, auch Menschen ihr Unwesen treiben, die über andere herziehen und Unwahrheiten verbreiten, ist eine Tatsache – und nicht hinnehmbar. Wer die Freiheit des Netzes missbraucht, um anderen zu schaden, muss in seine Schranken gewiesen werden.

    Auch Politiker müssen sich nicht beleidigen lassen. Aber sie sollten ein dickeres Fell haben als Menschen, die nicht in der Öffentlichkeit stehen. Und sie sollten immer maßvoll handeln.

    In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Beschlagnahme-Aktion, die am Montag in unserer Augsburger Redaktion stattfand und schnell zum großen Medienthema Deutschlands wurde.

    Was war passiert? Augsburgs Ordnungsreferent Volker Ullrich fühlte sich von einem Nutzer des Online-Forums der Augsburger Allgemeinen beleidigt und wollte gegen ihn zivilrechtlich vorgehen. Weil der Nutzer unter einem Pseudonym geschrieben hatte und die Redaktion die Herausgabe seiner Klardaten verweigerten, erstattete der Politiker Strafanzeige. Auch der Polizei gegenüber verweigerte die Redaktion die Herausgabe der Nutzerdaten. Diese erwirkte daraufhin einen gerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss. Als der ermittelnde Beamte mit dem Beschluss in die Redaktion in Augsburg kam, erhielt er die geforderten Daten ausgehändigt.

    Ein ganz normaler, quasi alltäglicher Vorgang sei das gewesen, betont die Augsburger Staatsanwaltschaft. Auch verhältnismäßig sei die Aktion gewesen, schließlich sei es ja nicht einmal zu der im Beschluss angeordneten Durchsuchung gekommen. Dass es so einfach nicht ist, beweisen die – teilweise sehr heftigen – Reaktionen auf die Daten-Beschlagnahme. Journalistenverbände protestieren, Juristen äußern erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit. Und auch viele Internetnutzer sind besorgt. Wo endet die Meinungsfreiheit im Netz, wo beginnt die Straftat? Und wie schnell sind Gerichte bereit, die Durchsuchung einer Redaktion anzuordnen, weil sich ein Politiker in einem Forum beleidigt fühlt?

    Die Fragen sind berechtigt. Und nur teilweise einfach zu beantworten. Tatsache ist: Das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum, wie das gerade von konservativen Politikern gerne behauptet wird. Ganz im Gegenteil ist das Netz in Deutschland bestens reguliert und auch überwacht – hunderttausende Menschen, die in den vergangenen Jahren etwa wegen Urheberrechtsverletzungen von Anwälten abgemahnt wurden, können dies aus eigener Erfahrung bestätigen.

    Tatsache ist auch: Wer Straftaten begeht, hat kein Recht auf Anonymität. Und trotzdem müssen gerade Journalisten genau überlegen, ob und unter welchen Umständen sie Daten von Nutzern ihrer Online-Plattformen herausgeben. Das ist auch deshalb wichtig, weil in Zeitungs-Foren die Grenzen zwischen dem „normalen“ Leser und dem Informanten fließend sind. Aus diesem Grund ist es eben kein ganz normaler Vorgang, wenn die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss in der Redaktion auftaucht.

    Augsburgs Ordnungsreferent sagt jetzt, er habe mit seiner Strafanzeige lediglich eine Debatte darüber auslösen wollen, was man sich als Politiker im Internet gefallen lassen muss. Das ist zwar menschlich verständlich. Doch der Schuss ging nach hinten los. Denn Verständnis für Ullrichs Vorgehen und dessen Folgen haben nur die wenigsten. Stattdessen schlägt dem Referenten gerade im Internet Unverständnis und Protest entgegen.

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