Sie stehen mit verschränkten Armen da. In den Mienen der Männer kann man die Enttäuschung ablesen. Und den Ärger darüber, dass sie seit Mitte April keinen Lohn erhalten haben. Der Fall von 30 rumänischen Arbeitern, die auf einer Baustelle auf dem AKS-Areal gearbeitet haben, beschäftigt nun wohl das Arbeitsgericht. Die Arbeiter werden durch einen Anwalt vertreten, er hat inzwischen Klage eingereicht.
Die Arbeiter stehen am Ende einer Kette von Subunternehmen. Sie waren seit Herbst mit Rohbauarbeiten beschäftigt, sagen sie. Ein Bürogebäude und zwei Supermärkte sollen auf dem Gelände im Textilviertel entstehen. Hinter dem Projekt steht ein Immobilienunternehmer aus München. Er ist auch an weiteren Bauprojekten auf dem früheren Gelände der Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) beteiligt – unter anderem sollen dort noch hochwertige Wohnungen und ein Hotel entstehen.
Es geht um rund 150000 Euro
Das AKS-Areal gilt eigentlich als Musterbeispiel für die Umwandlung einer Industriebrache. Auf Werbevideos im Internet sind hochwertige Gebäude zu sehen – wahre Wohnträume, unterlegt mit sanfter klassischer Musik. Angeblich interessieren sich sogar Münchner Promis für das neue Viertel. Doch nun hat das Bild Kratzer. Michael Fröschl, der Rechtsanwalt der Arbeiter, verklagt den Immobilienunternehmer. Der Anwalt will zunächst den Lohn für April und Mai einfordern, kündigte er gegenüber unserer Zeitung an. Das seien rund 150000 Euro.
Auch Marian Vintila steht am Donnerstag auf der Straße vor der Baustelle. Auf das Gelände darf er nicht mehr. Die Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes stehen am Bauzaun und passen auf. Vintila ist der Chef der rumäischen Arbeiter. Der Anwalt des Münchner Immobilienunternehmers hat in einer Pressemitteilung die Frage aufgeworfen, ob das Geld, mit dem Arbeiter bezahlt werden sollten, in Vintilas Firma versandet ist. Über diesen Vorwurf ist er empört: „Ich habe für die letzten Monate keinen Cent bekommen“, sagt er. „Wie soll ich die Männer bezahlen?“ Er gebe ihnen derzeit immer wieder etwas Geld aus der eigenen Tasche, sagt Marian Vintila, damit sie sich zumindest Essen kaufen können.
Anwalt: Eine Besetzung
Die Arbeiter wohnen in Containern direkt auf der Baustelle. Dort wollen sie bleiben, bis sie ihren Lohn haben. Thomas Böhmer, der Anwalt des Immobilienunternehmers, nennt das eine „rechtswidrige Besetzung“. Der Firma, die die Rumänen beschäftigt, sei gekündigt worden. Der Bauherr sei selbst Geschädigter in dem Fall. Er könne nichts dafür, wenn Subunternehmer ihre Angestellten nicht korrekt bezahlen. Anwalt Böhmer sagt, er vermute ein System hinter den Vorgängen auf der Baustelle. Der Protest der Arbeiter ist aus seiner Sicht eine Inszenierung. Er sagt: „Die Rolle der rumänischen Firma wird zu hinterfragen sein.“
Der Anwalt der Arbeiter beruft sich in seiner Klage dagegen auf das Mindestlohngesetz. Demnach haftet für den Lohn nicht nur der Unternehmer, bei dem die Arbeiter direkt angestellt sind. Auch gegen alle anderen Firmen in der Kette der Subunternehmen können Ansprüche erhoben werden. „Ich setzte beim Bauherrn an“, sagt Fröschl. Der ist aus Sicht des Anwalts verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Arbeiter auf seiner Baustelle korrekt bezahlt werden. Schließlich mache er auch den Profit bei der Vermarktung der Immobilie. Die Arbeiter, die fast 60 Stunden pro Woche geschuftet hätten, seien das schwächste Glied in der Kette. Auf ihrem Rücken werde in der Branche gerne gespart.
Bald vor Gericht?
Fröschl geht davon aus, dass es bereits in wenigen Wochen einen Termin beim Gericht geben könnte. Vielleicht, hofft er, komme bis dahin doch noch eine Einigung mit dem Bauherrn zustande. Andernfalls könnte ein langer Prozess drohen. Die Arbeiter sagen, sie würden sofort gehen, wenn sie ihr Geld bekommen – doch im Moment könnten sie sich nicht mal die Fahrt zurück nach Rumänien leisten.
Ein Mann droht, vom Kran zu springen
Am Donnerstagnachmittag, gegen 14.30 Uhr, herrscht plötzlich Aufregung auf dem AKS-Areal. Einer der Arbeiter ist auf einen Kran geklettert und droht, zu springen, wenn er kein Geld erhält. Die Polizei rückt mit mehreren Streifenwagen an. Die Situation beruhigt sich aber schnell wieder, weil der Mann freiwillig nach unten kommt. Es bleibt zunächst unklar, wie ernst er die Drohung meinte. Trotzdem wird der Arbeiter mit einem Rettungswagen ins Bezirkskrankenhaus gebracht. Mehrere Besucher, die sich über Eigentumswohnungen auf dem AKS-Areal informieren wollen, schauen irritiert zu. Szenen wie diese sind nicht die beste Werbung für ein Vorzeigeviertel.