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Musikcollage: Zwischen Welterfolg und Wahnsinn

Musikcollage

Zwischen Welterfolg und Wahnsinn

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    Yvonne Klamant und Sacha Holzheimer verkörpern die unterschiedlichen Gesichter der Hildegard Knef
    Yvonne Klamant und Sacha Holzheimer verkörpern die unterschiedlichen Gesichter der Hildegard Knef Foto: T. Hack

    „Für mich soll’s rote Rosen regnen ...“ – im blutroten Ambiente war bereits das Bühnenbild gestaltet, das sich wie ein düsteres Fenster zur Seele der großen Diva öffnete: eine halb leere Whiskyflasche, ein zerbrochener Kronleuchter, ein schummriges Dämmerlicht, welches als Vorbote von Bühnenerfolg und Besessenheit gleichermaßen dienen sollte. Das Landestheater Dinkelsbühl hat im Stadtberger Bürgersaal eine stilübergreifende Hommage an Hildegard Knef präsentiert und dabei mit allen Formen der Kunst die unterschiedlichen Facetten der legendären Diva in Szene gesetzt.

    Mit Yvonne Klamant und Sacha Holzheimer betraten gleich zwei versierte Gesangskünstlerinnen die Bühne, um die innere Zerrissenheit der vom Leben gezeichneten Knef Revue passieren zu lassen. Mit charakteristischer Stimmgewalt und solider Schauspielkunst tauchte das (un)gleiche Duo tief in die seelischen Abgründe der Chansonsängerin ein und sparte in diesem poetischen Porträt keineswegs an originellen Ideen: Die markanten Melodien wurden angereichert durch atmosphärisches Schattentheater, tragisch-komische Schauspielsequenzen oder auch mal mit den akustischen Lautsprechereinblendungen einer verheerenden Bombennacht. In sentimentalen Selbstgesprächen und Sprachcollagen wurden die verzerrten Gesichter der Vergangenheit wieder lebendig, in ergreifenden Solostücken die wichtigsten Lebensstationen der Knef nachgezeichnet.

    Die beiden Sängerinnen verkörperten ein und dieselbe Person, die sich im Spiegelbild der Gefühle immer wieder neu zu entdecken versuchte, und sich immer wieder neu zu erschrecken hatte. Pianist Dominik Tremel sorgte mit seinen Akkordanschlägen durchwegs für die passenden Emotionen, die sich ebenso kraftvoll wie verletzlich zeigen konnten wie die Chansonlegende selber. Die unterschiedlichen Spielarten der Bühnenkunst flossen geschmeidig ineinander über, nur um Augenblicke später wieder vom spröden Sprechgesang der eigenwilligen Diva in unheilvolle Gedankenfetzen zerrissen zu werden. Die Interpreten ließen hierbei keinerlei Seeleneinblicke außen vor: der ständige Hunger nach Liebe, die körperlichen Erschöpfungszustände, der schmale Grat zwischen Welterfolg und Wahnsinn.

    Das Landestheater Dinkelsbühl hat es überzeugend geschafft, ein Stück deutsche Kulturgeschichte mit all seinen Ausprägungen nachzuzeichnen – den Aufstieg einer Legende, die sich in ihren Selbstzweifeln schließlich selber am Fegefeuer falscher Eitelkeiten versengte. Die klaren Gesangsstimmen waren glaubhaft, die derbe Atmosphäre tiefgründig und echt.

    Manche Zuschauer hatten sich anfänglich mehr Lieder und weniger Theater gewünscht, doch hat die Truppe im zweiten Teil des Abends diesem Wunsche voll und ganz entsprochen. Sicher, die Stücke waren keineswegs leicht verdaulich und auch nicht immer auf den ersten Blick durchschaubar. Doch gerade damit sind die Interpreten dem unerklärlichen Mythos der Knef schließlich rundum gerecht geworden.

    Ambivalent und streitbar

    Ein derartig gewagtes Musikporträt kann letztendlich auch nur ambivalent und streitbar sein. Der Mut aber, sich überhaupt dem einzigartigen Charakter einer solchen Frau zu verschreiben, war alleine schon einen extra Applaus am Ende des Abends wert.

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