Selbst die Richterin hatte vor Beginn Zweifel an Sinn und Zweck des Prozesses. „Wäre es nicht das Beste, wenn man sich so einigen könnte?“, fragte die Vorsitzende Jutta Schön gestern am Augsburger Verwaltungsgericht. Ihre Frage richtete sich an die Anwältin Irina Lindenberg-Lange. Diese vertrat ein ehemaliges Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Westheim. Der junge Mann hatte gegen seinen Ausschluss aus der Feuerwehr geklagt. Weil er sich wiederholt über Befehle seiner Gruppenführer hinweggesetzt haben soll, schloss ihn die Feuerwehr im vergangenen April aus.
Der Vorschlag der Richterin: Die Suspendierung wird aufgehoben – wenn der verhinderte Feuerwehrmann seine Klage zurückzieht. Eine Rückkehr innerhalb der Wehr sei ohnehin nur noch schwer vorstellbar. Davon wollte der Student aber vor Gericht zunächst nichts wissen: „Ich möchte hören, was meine Kameraden zu den Vorwürfen gegen mich zu sagen haben.“ Auch viele Einwohner aus dem Heimatdorf hatten Interesse an der Verhandlung: Der Sitzungssaal war mit etwa 100 Zuhörern bestens besetzt. Außerdem waren insgesamt 17 Zeugen geladen – neben der Führungsriege der Westheimer Feuerwehr waren das auch die Mutter und die Brüder des Klägers.
Eigenmächtig die Sirene angeschaltet
Neben vielen kleineren Vorwürfen war für den Ausschluss vor allem ein Vorfall ausschlaggebend: Bei einem Einsatz am Westheimer Altenheim soll der Kläger bei einem Einsatz im vergangenen Oktober eigenmächtig die Hochleistungssirene am Feuerwehrfahrzeug angeschaltet haben, indem er von seinem Platz auf der Rückbank aufgestanden ist und sich in den Fahrerbereich gelehnt hat. Als das Fahrzeug nach 400 Meter Fahrt am Altenheim angekommen war, bestätigte sich der Verdacht eines Fehlalarms. Dies habe den Kläger, der damals als Truppenführer fungierte, aber nicht davon abgehalten, sich komplett auszurüsten. Mit einer Atemschutzmaske und einer Feuerwehraxt ausgestattet, hätte ihn nur einer der Gruppenführer davon abhalten können, eigenmächtig das Gebäude zu betreten. Der Kläger hingegen bestritt, die Dienstvorschriften verletzt zu haben.
Vorfälle dieser Art hätten sich nach Auskunft der Westheimer Feuerwehr derart gehäuft, dass eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich gewesen sein soll. Die Folge war eine Unterschriftenliste, auf der die Gruppenführer und Kommandanten erklärten, nicht mehr mit dem jungen Mann zusammenarbeiten zu können – auch wenn dessen fachliche Qualitäten unbestritten seien. „Man muss seinen Kameraden vertrauen können und nicht jeden Befehl mit ihnen diskutieren müssen“, sagte der Gruppenführer, der bei dem Einsatz im Altenheim dabei war und ergänzte: „Ich empfinde ihn als Störfaktor für die Gruppe.“
Als nach rund vier Stunden und gerade mal fünf von 17 Zeugen eine Pause in der Sitzung eingelegt wurde, wiederholte die Richterin ihren Kompromissvorschlag. Auch, weil sich die Aussagen zunehmend als nachteilig für den Kläger herausstellten. „Wir können noch zehn Zeugen vernehmen, aber macht das einen Sinn?“ Die beisitzende Richterin Evelyn Leder ergänzte: „Die Klägerseite hat keinen einzigen Gruppenführer genannt, der sich positiv für ihn äußerte.“
Appelle, die Wirkung zeigten: Nach einer weiteren Pause stimmte der Kläger tatsächlich dem Kompromiss zu, die Anklage fallen zu lassen und mit sofortiger Wirkung aus der Feuerwehr auszutreten. Im Gegenzug wird der Ausschluss außer Kraft gesetzt. Die Kosten des Verfahrens tragen zu gleichen Teilen die Stadt Neusäß und die Klägerseite.