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Amazon: "Viele Online-Bewertungen werden von Kunden missbraucht"

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"Viele Online-Bewertungen werden von Kunden missbraucht"

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    Weil er den Verkäufer eines Fliegengitters für 22 Euro bei Amazon schlecht bewertete, soll ein Mann aus Großaitingen jetzt 70.000 Euro Schadensersatz zahlen.
    Weil er den Verkäufer eines Fliegengitters für 22 Euro bei Amazon schlecht bewertete, soll ein Mann aus Großaitingen jetzt 70.000 Euro Schadensersatz zahlen. Foto: Kai Remmers, dpa

    Es war im Juni 2013, als Thomas Allrutz aus Großaitingen (Kreis Augsburg) einen Verkäufer bei Amazon negativ bewertete - und sich damit riesigen Ärger einhandelte.

    Allrutz hatte sich bei dem Händler ein Fliegengitter für 22,51 Euro gekauft. Der Zuschnitt klappte nicht - weil die Bauanleitung nicht korrekt gewesen sei, wie der Großaitinger sagt. Das Gitter fiel zu klein für das Fenster aus. Allrutz beschwerte sich bei dem Händler, es kam zu einem Mail-Wechsel und Telefonaten. Man habe versucht, ihm zu helfen, sagt der Händler. "Der war im Gegenteil richtig unverschämt zu mir", widerspricht der Großaitinger.

    Schließlich stellte Allrutz eine Negativbewertung bei Amazon ein. "Die Lieferung erfolgte schnell. Das war das positive. In der Anleitung steht ganz klar Mann muss den Innenrahmen messen das ist falsch. Damit wird das ganze zu kurz! Die Ware selbst macht guten Stabilen Eindruck, Der Verkäufer nie wieder!"

    Als der Händler ihn aufforderte, die Bewertung zu löschen oder zu ändern, wandte sich Allrutz direkt an Amazon und beschwerte sich auch dort. Wenig später kam von dem Online-Händler eine Abmahnung mit der Forderung, eine Unterlassungserklärung abzugeben.

    Nach einigem juristischen Hin und Her flatterte dem 38-Jährigen dann ein weiteres Schreiben ins Haus. Der Fliegengitter-Händler hatte Allrutz verklagt. DEr Streitwert: 70.000 Euro. Wegen seiner negativen Bewertung und seiner Beschwerde habe Amazon ihm, dem Händler, das Verkäuferkonto mit 13.000 Euro darauf gesperrt. Ohne diese Sperrung hätte er bis heute rund 39.000 Euro erwirtschaften können, so der Kläger. Den Schaden müsse Allrutz ihm nun ersetzen, zuzüglich Anwaltskosten. Hinzu kämen geschätzte 20.000 Euro "weitere Schäden".

    "Wir reden hier über falsche Tatsachenbehauptungen"

    Im Juni nun beschäftigt sich das Landgericht Augsburg mit dem Fall. Und die Kläger sind zuversichtlich, dass sie Recht bekommen werden. "Wir reden hier nicht über Werturteile oder Meinungsäußerungen. Die sind und bleiben selbstverständlich erlaubt, was auch gut so ist", sagt Rechtsanwalt Jan Morgenstern, der zusammen mit seiner Kollegin Jennifer Klett von MH Rechtsanwälte den Händler vertritt.  "Wir reden hier über eine falsche Tatsachenbehauptung. Wenn man behauptet, dass eine Bauanleitung falsch sei, dann ist das eine

    Im Fall des Fliegengitters gehe es nicht darum, einem unzufriedenen Käufer den Mund zu verbieten, betont Morgenstern, der Fachanwalt für IT-Recht ist und viele Online-Händler berät. "Es ist einfach so, dass meinem Mandaten durch eine Falschbehauptung im Internet ein großer finanzieller Schaden entstanden ist. Sein Verkäuferkonto ist seit Monaten gesperrt, Amazon fror zudem über Monate hinweg mehr als 13.000 Euro ein. Diesen Schaden wollen wir ersetzt bekommen."

    Dass die Klage manchen Verbraucher verunsichern könnte, ist Anwalt Morgenstern durchaus bewusst. Andererseits, sagt er, werde der Fall so manchen Käufer vielleicht auch zum Nachdenken anregen. "Viele Online-Händler stellen die Tendenz fest, dass Bewertungssysteme von Kunden missbraucht werden, um sich einen Vorteil zu verschaffen, etwa um Goodies herauszuschlagen", sagt er. "Anderen wiederum ist gar nicht bewusst, was für einen Schaden sie mit einer unbedachten oder sogar bewusst falschen Tatsachenbehauptung anrichten können."

    Beides, meint der Anwalt, müsste sich ändern. "Unzufriedenen Kunden sollten ihrem Frust durchaus mal Luft machen", meint Morgenstern. "Wichtig ist, dass sie dabei immer sachlich bleiben." 

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