Es ist an einem Spätsommernachmittag im vergangenen Jahr. Ein Mann sitzt in einem Supermarkt-Café. Er wartet. Wenig später taucht ein junger Kerl auf. Er hebt kurz die Hand, gibt sich zu erkennen. Die beiden unterhalten sich, dann gehen sie zu einem Auto auf dem Parkplatz. Der Kofferraum wird geöffnet. Der Ältere der beiden holt etwas aus einer Tasche. Der junge Mann prüft den Gegenstand und holt dann drei Bündel mit Geldscheinen aus der Hosentasche. Es sind 10400 Euro.
Sie sind für drei Glock 17, drei Schalldämpfer und 3000 Schuss Munition, Kaliber 9 Millimeter. Der Amoklauf von München ist an diesem 15. September noch keine zwei Monate her. Es dauert noch ein paar Sekunden, dann greift ein SEK zu. Der 25-Jährige aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen leistet keinen Widerstand. Als er gefesselt auf dem Boden liegt, ist alles vorbei.
Seit dieser Woche muss er sich vor dem Landgericht Ingolstadt wegen vorsätzlichen Erwerbes dreier halbautomatischer Kurzwaffen und Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verantworten. Die Staatsanwaltschaft Ingolstadt hat ihn wegen des unerlaubten versuchten Kaufs der Pistolen samt Munition angeklagt und wegen Drogenbesitzes.
Bei ihm daheim finden Polizisten Gras und weitere Waffen
Denn als die Polizisten des Bundeskriminalamtes das Anwesen des gerade Festgenommenen durchsuchen, stoßen sie auf eine ansehnliche Aufzucht von mindestens 30 Cannabis-Pflanzen. Deren schönste Exemplare haben eine Höhe von drei Metern erreicht. Ein Teil ist schon abgeerntet. In der Summe, laut Anklage: über sieben Kilo Gras. In einem Zimmer finden sich zudem noch drei Kampfmesser, eine Machete, eine Schreckschusspistole und diverse Soft-Air-Waffen.
Als der Staatsanwalt die Klageschrift verlesen hat, gesteht der Angeklagte sofort und vollumfänglich. Schon bei der Festnahme, so sagte es einer der Polizisten, habe er einen „zutiefst verängstigten“ Eindruck gemacht. Und auch jetzt wirkt er vor der 1. Strafkammer unter Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl, sehr verschüchtert. Er wird von Michael Adams aus München verteidigt. Der nickt ihm zu und dann beginnt er, seine Version der Geschichte zu erzählen.
Angeklagter: Familie hatte Angst vor Terror
Dass Unbekannte zweimal versucht hätten, bei ihnen daheim einzubrechen, dass der Hund der Familie von einem Fremden mit Rattengift umgebracht worden sei, dass er und auch seine Mutter immer verängstigter gewesen seien, dass er sich nach „immer näher kommenden“ Terroranschlägen in Bayern gefragt habe: Wie kann ich mich und meine Familie schützen? Da er nicht kräftig, sondern eher schmal sei, habe er sich für Schusswaffen entschieden.
Er habe recherchiert, sich eine App heruntergeladen, die ihm dem Zugang zum Darknet öffnete. Dort habe er dann bestellt. Um sie für den Fall der Fälle bereit zu haben. Die Schalldämpfer habe er dazu genommen, falls mehrere Terroristen kämen. Damit, wenn er schieße, die Angreifer seine Schüsse nicht gleich hören könnten. Wirklich Erfahrung im Umgang mit Schusswaffen habe er keine.
Im Darknet geriet Mann an australische Bundespolizei
Was er bei Bestellung nicht wusste: Er war dabei an ermittelnde Beamte der australischen Bundespolizei geraten. Die informierten umgehend das BKA in Wiesbaden. Und von dort wurde der Einsatz auf dem Parkplatz des Supermarktes koordiniert. Der Angeklagte sagt: „Aus heutiger Sicht war das alles ein schlimmer Fehler. Ich habe mich da in was reingesteigert.“
Und die Mengen von Gras? Die seien für seinen schwer erkrankten Vater bestimmt gewesen. In einer Dokumentation habe er gesehen, dass man mit Marihuana die Leiden dieser Krankheit lindern könne. In Salzburg habe er sich Samen besorgt und dann mit der Aufzucht begonnen. Er habe seinem Vater Zigaretten drehen oder eine Art Butter daraus herstellen wollen.
Die Mutter, die zwar vor Gericht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machte, deren Polizeiangaben vor Gericht aber vom Verteidiger eingeführt wurden, bestätigte die Angaben des Sohnes. Sowohl die Terrorangst als auch den kranken Vater betreffend. Sie fühle sich mitschuldig, habe sie gesagt. Ihr Sohn ist bisher nicht vorbestraft. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.