Jetzt, wo Weihnachten naht, ist es für die Wackerls noch schwerer auszuhalten, dass Sandra (Name geändert) weg ist. Die Familie aus Todtenweis im Kreis Aichach-Friedberg kämpft weiter um die Rückkehr ihres früheren Pflegekindes. Inzwischen ist sie bis zu Bayerns Sozialministerin Emilia Müller vorgedrungen. Diese lässt den Fall nun von der Regierung von Schwaben prüfen.
Fall Wackerl: Unterschriften helfen nicht
Müller hat diese Woche eine Delegation aus Todtenweis empfangen, die ihr die gesammelte Liste mir 2493 Unterschriften überreichte. Man habe sich ernst genommen gefühlt, berichtet Petra Wackerl. Offiziell heißt es vom Ministerium, dass man den Fall prüfen werde.
Mit dabei war auch Wackerl-Anwältin Therese Steber aus Friedberg. Sie ist seit 30 Jahren Juristin. Was im Fall Sandra läuft, hat sie noch nicht erlebt. Beispiel: Im August haben die Wackerls beim Amtsgericht Landsberg beantragt, Sandra wieder sehen zu dürfen. Bis heute gibt es nicht einmal einen mündlichen Verhandlungstermin. Das Beschleunigungsgebot bei Umgangsverfahren werde massiv missachtet, ärgert sich Steber. Sie hat deshalb nun Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Familienrichterin beim Landgerichtspräsidenten in Augsburg eingereicht. Ihre Vorgehensweise stelle „eine Katastrophe für das Wohl des Kindes dar“, begründet Steber. Denn auch der Antrag der Wackerls, ihnen das Kind zurückzugeben, ist nicht behandelt. Den haben sie im Juli gestellt.
Wackerls hatten Sandra schon als Baby zu sich genommen
Alexander Keßler gibt zu, das alles sei nicht ideal. Aber der Pressesprecher des Landsberger Gerichtes argumentiert damit, dass man nicht zuständig sei. Ausschlaggebend sei der Wohnort des Kindes. Der hat mehrfach gewechselt. Nach einer Einrichtung bei Landsberg war Sandra vorübergehend in der Jugendpsychiatrie untergebracht. Nun lebt die 13-Jährige in einer Einrichtung im Kreis Günzburg. Daraufhin gab Landsberg den Fall ans dortige Gericht ab. Er kam postwendend zurück. Direktor Walter Henle erklärt: Das Gericht, das ein solches Verfahren beginne, sei auch bei Folgeentscheiden zuständig. Auf Initiative der Landsberger muss nun das Oberlandesgericht prüfen, wer für Sandra zuständig ist. Schnelle Entscheidung? Fehlanzeige.
Zum Leidwesen der Wackerls. Sie haben das Mädchen, das als Baby zu ihnen gekommen ist und zwölf Jahre bei ihnen gelebt hat, seit Juni nicht mehr gesehen. Die Ursache des Dilemmas war ein Schulwechsel, dem die Wackerls 2012 zugestimmt hatten. Durch die stationäre Unterbringung verloren sie ihren Status als Pflegeeltern.
Seit Juni war den Wackerls der Umgang mit Sandra untersagt
Nach Ansicht von Martina Buchschuster ist der Fall schon bei der Beratung schief gelaufen. Die Wackerls hätten informiert werden müssen, dass Sandra wegen ihrer Lernbehinderung nicht in eine Einrichtung gehen müsse, sondern Anspruch auf Inklusion habe. Die Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Bayern „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“, die sich um die Inklusion Behinderter kümmert, spricht von Benachteiligung und Diskriminierung. Für das „tragische Schicksal“ Sandras macht sie mangelnde Kooperation von Schulverwaltung und Jugendhilfe verantwortlich. In Briefen an Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl und Sozialministerin Müller leistet sie den Wackerls Schützenhilfe.
Das Mädchen, um das es geht, darf nur alle zwei Wochen 15 Minuten mit „Zuhause“ telefonieren. Zuletzt fragte sie: „Darf ich Weihnachten heim?“ Doch die Pflegerin lehnt das laut Petra Wackerl ab. Erstmals in ihrem Leben wird Sandra Weihnachten wohl nicht bei den beiden verbringen dürfen, die sie Mama und Papa nennt.